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Sport: Energie Cottbus - Hansa Rostock: Schauspieler und Foulspieler

Das erste Mal kreischten die Zuschauer schon nach 180 Sekunden vor Begeisterung auf. Stürmer Sebastian Helbig hatte unmittelbar vor ihren Augen an der Außenlinie mit einer mächtigen, kompromisslosen Grätsche gegen Rayk Schröder den Ball ins Seitenaus befördert.

Von Karsten Doneck, dpa

Das erste Mal kreischten die Zuschauer schon nach 180 Sekunden vor Begeisterung auf. Stürmer Sebastian Helbig hatte unmittelbar vor ihren Augen an der Außenlinie mit einer mächtigen, kompromisslosen Grätsche gegen Rayk Schröder den Ball ins Seitenaus befördert. Mehr war nicht passiert. Nichts Besonderes also? Doch. Die Reaktion der Zuschauer im Stadion der Freundschaft zeigte: Diesen Einsatz wollten sie sehen von ihrem FC Energie Cottbus. Die Mannschaft enttäuschte ihren Anhang nicht. Mit enormem Kampfeseifer zwang der Bundesliga-Aufsteiger vor 19 699 Zuschauern den alten Ost-Rivalen Hansa Rostock mit 1:0 (0:0) in die Knie. "Cottbus ist für mich keine Reise wert", stellte Hansa-Trainer Friedhelm Funkel hinterher fest. Zweimal war er nun in der Lausitz. Das erste Mal mit dem MSV Duisburg im DFB-Pokal. Beide Male fuhr er mit leeren Händen heim.

Es war eine weitgehend heißblütig geführte Partie, hässliche Szenen nicht ausgeschlossen. "Viele Nickligkeiten", registrierte der Cottbuser Trainer Eduard Geyer. Und das war noch fromm formuliert. Der Konzertpianist Herbert Fandel, nebenher Fußball-Schiedsrichter, hatte die ganze Pfeife voll zu tun, um die 90 Minuten halbwegs vernünftig über die Bühne zu bringen. Lautes Wutgeheul auf den Rängen löste seine Entscheidung fünf Minuten vor der Pause aus. Da hatte Energie-Verteidiger Faruk Hujdurovic den Rostocker Victor Agali mit einem rüden Foul gestoppt. Da Hujdurovic zuvor schon wegen eines Fouls verwarnt worden war, sah er nun die Gelb-Rote Karte. "Eine Katastrophe ist dieser Mann", schimpfte Energie-Manager Klaus Stabach zur Halbzeit über den Referee.

"Mit einem Spieler weniger wurde es kompliziert für uns" gestand Geyer, um Versachlichung bemüht, sein Dilemma ein. Doch Fandel leistete Cottbus auch ein bisschen Aufbauhilfe. Auslöser dafür war, dass Energie-Stürmer Franklin Bittencourt kurzzeitig ins Theaterfach wechselte. Bei einem zum Freistoß bereit liegenden Ball wurde der Brasilianer vom Rostocker Peter Wibran leicht mit den Händen vor die Brust gestoßen. Bittencourt sank zu Boden, das Krankenpflegepersonal im Stadion in höchste Alarmbereitschaft versetzend. Schauspielerisch einwandfrei, aber die Fairness mit Füßen tretend, mimte er, im Gesicht getroffen worden zu sein. Fandel fiel auf den Mimen rein, Wibran sah Rot (60.). Und das versetzte die Rostocker in hellste Aufregung. "Der Franklin sollte für den Oscar nominiert werden", würdigte Rostocks René Rydlewicz die schauspielerische Einlage des Cottbusers. Und auch Eduard Geyer fand: "Nach den Eindrücken aus dem Fernsehen von dieser Szene kann ich nur hoffen, dass Wibran vom DFB-Sportgericht freigesprochen wird."

Zwei Platzverweise, ein Tor. Nachdem durch die Rote Karte das numerische Gleichgewicht wiederhergestellt war, fiel der entscheidende Treffer, erzielt vom Mann mit dem klangvollsten Namen auf dem Platz: Laurentiu-Aurelian Reghecampf. Der nutzte einen Steilpass von Franklin Bittencourt konsequent aus und ließ dem keineswegs sicheren Gäste-Schlussmann Martin Pieckenhagen, der beim Hamburger SV im Gespräch ist als Nachfolger für Hans-Jörg Butt, nicht den Hauch einer Abwehrchance (70.). "Die Szene, die zu dem Platzverweis für unseren Mann führte, war letztlich spielentscheidend", konstatierte Friedhelm Funkel.

Und Christian Beeck, der Kapitän der Cottbuser, der für ein böses Nachtreten gegen den am Boden liegenden Agali weitaus eher als Wibran die Rote Karte hätte bekommen müssen, fasste das hektisch-harte Geschehen so zusammen. "Wir haben", sagte Beeck, "mit der notwendigen fairen Brutalität Fußball gespielt und damit Erfolg gehabt." Faire Brutalität - so kann man das natürlich auch sehen.

Im Stadion der Freundschaft gab es freilich auch Versöhnliches zu beobachten. So diskutierte Friedhelm Funkel drei-, viermal während des Spiels mit den unmittelbar hinter seiner Bank sitzenden Tribünenbesuchern über strittige Szenen. "Da saßen doch überwiegend freundliche Leute, mit denen konnte ich mich sehr angenehm unterhalten", meinte Funkel. Zur einer allgemeinen, breitflächigen und sich aufs Spielfeld ausweitenden Entspannung trug diese wohltuende Geste allerdings auch nicht bei. Stadion der Freundschaft? Irgendwie passte der freundliche Name ohnehin nicht zu dem, was auf dem Rasen passierte.

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