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Cottbus

© dpa

Energie Cottbus: Wille schlägt Qualität

Energie Cottbus bleibt nach dem Sensationssieg über Tabellenführer Bayern München erstaunlich gelassen. Trainer Prasnikar strahlt nach dem Abpfiff eine innere Ruhe aus, die jedem Zen-Meister zur Ehre gereicht hätte.

Es sah ein bisschen so aus wie das Rennen zwischen Hase und Igel. Hamit Altintop vom FC Bayern führte den Ball an der Außenlinie, Christian Bassila vom FC Energie Cottbus hechelte hinter. Altintop verlangsamte sein Dribbling für einen Moment, der massige Bassila war wieder dran. Doch dann beschleunigte der Münchner Mittelfeldspieler noch einmal, Bassila schien angesichts dieses Antritts beinahe stehen zu bleiben. Altintop strebte mit einigen Metern Vorsprung dem gegnerischen Tor entgegen, mit letzter Kraft gelang es dem Cottbuser aber irgendwie doch noch, sich an seinen Gegenspieler heranzukämpfen und in die Flanke zu werfen. Szenen wie diese gab es viele im Bundesligaspiel zwischen Energie und Bayern. Die Cottbuser Willenskraft siegte am Ende mit 2:0 gegen die fußballerische Qualität der Münchner.

Angesichts der Unterschiede beider Klubs, was finanzielle Ausstattung, Tabellenstand und Ansprüche angeht, war es erstaunlich, wie nüchtern die Cottbuser ihren nicht alltäglichen Sieg sahen. Trainer Bojan Prasnikar strahlte nach dem Abpfiff eine innere Ruhe aus, die jedem Zen-Meister zur Ehre gereicht hätte. „Natürlich haben wir vor dem Spiel unter großem Druck gestanden“, stellte Prasnikar fest. Seine Mannschaft überraschte unter diesen Umständen damit, nicht nur das Spiel der Münchner zerstören zu wollen, sondern auch geradlinigen Offensivfußball zu spielen. „Das Spiel der Bayern kommt uns natürlich entgegen“, sagte Energie-Kapitän Mario Cvitanovic, „sie spielen immer nach vorne, dadurch hatten wir selbst viel Platz in der Offensive.“

Das 1:0 nach 18 Minuten brachte dann laut Prasnikar die nötige „große Stimulation“, um Mannschaft und Publikum davon zu überzeugen, den Rekordmeister und Tabellenführer wirklich schlagen zu können. Bayerns Trainer Ottmar Hitzfeld hatte bei Energie eine „Riesenbegeisterung“ ausgemacht, der seine Mannschaft an diesem Tag wenig entgegenzusetzen hatte. „Wir haben heute alles falsch gemacht, was man falsch machen kann“, sagte Hitzfeld. Besonders die erste Viertelstunde, die die Bayern völlig verschliefen und in der Energie Selbstbewusstsein tankte, fand Hitzfeld „sehr enttäuschend“. Der Cottbuser Manager Steffen Heidrich hatte seine Spieler sogar in „allen Belangen überlegen“ gesehen.

Während die Bayern den Rasen des Stadions der Freundschaft fluchtartig verließen, genossen die Gastgeber die minutenlangen Ovationen ihres Publikums. Als die Fans sie dann endlich gehen ließen, trugen die meisten Cottbuser Spieler ein genießerisches, wenn auch noch ein wenig ungläubiges Grinsen auf dem Gesicht. „Das war heute wohl der glücklichste Moment meiner Karriere“, sagte der zweifache Torschütze Branko Jelic. Nur um im gleichen Atemzug hinzuzufügen: „Das heißt: wenn wir nicht absteigen. Ich glaube, dieser Sieg war erst ein Anfang für uns.“ Wie wichtig der Sensationserfolg für Energie wirklich ist, wird sich erst in den nächsten Wochen zeigen. Im April stehen mit Spielen gegen Bielefeld, Duisburg und Rostock drei Duelle mit Konkurrenten um den Klassenerhalt an. Immerhin verließ Cottbus durch die drei Punkte zum ersten Mal seit dem dritten Spieltag die Abstiegsplätze.

Bojan Prasnikar dachte deswegen trotz der allgemeinen Jubelstimmung nach dem Abpfiff gar nicht daran, in Euphorie zu verfallen. Schon in den vergangenen Spielen habe seine Mannschaft gute Ansätze gezeigt, am Sonnabend habe sie schlicht und einfach die Fehlerquote reduziert. Auf die Frage, ob er sich jetzt vor einem Medienansturm auf seine Mannschaft fürchte, sagte er genüsslich: „Die Niederlage für den FC Bayern München wird bestimmt ein größeres Thema sein als ein Sieg für Energie Cottbus.“

Zumindest der Stadionsprecher konnte sich einen Hauch von Pathos am Ende nicht verkneifen. „Aus, aus, aus“, brüllte er über die Lautsprecher, die Radioreportage vom deutschen Sieg bei der Weltmeisterschaft 1954 imitierend. Christian Bassila bekam davon wahrscheinlich wenig mit: Beim Schlusspfiff von Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer war er wie vom Blitz getroffen völlig entkräftet auf den Rasen gesackt.

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