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Sport: England - Deutschland: Sebastian Deisler darf in Charleroi zum ersten Mal vom Anpfiff an spielen

"Extremer Spreizfuß, dazu Senkfuß! Knickfuß rechts stärker als links.

"Extremer Spreizfuß, dazu Senkfuß! Knickfuß rechts stärker als links. Der große Zeh ist sehr kurz. Druckstellen am Zehenballen und Zehenkuppen."

So sieht er also aus, Deutschlands elegantester und gefährlichster Flankenfuß. Eine Kosmetikerin hat ihn neulich in der Fachzeitung "Sportbild" so beschrieben. Der Fuß gehört zu Sebastian Deisler. Von ihm soll es nun abhängen, wie es für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gegen England läuft. Zu sehen sein wird er heute Abend, so ab 20 Uhr 45, in Charleroi.

Ob Sebastian Deisler nun gestern Abend mit einem Ball ins Bett gegangen ist und mit ihm heute früh auch wieder aufgewacht ist, so wie er das als Spund im Fußballinternat von Lörrach zu tun pflegte - wer weiß. Bestimmt aber wird es eine unruhige Nacht gewesen sein für den 20-jährigen Mittelfeldspieler von Hertha BSC. Ein aufregenderer Gegner ist ihm in seinem Berufsleben noch nicht vor die Füße gekommen.

Deisler für Deutschland. Endlich, sagen die Kritiker von Erich Ribbeck (und davon gibt es mit jedem Tag mehr). Endlich zeigt der Teamchef Mut mit der Hereinnahme des Berliners in eine Aufstellung, die dem Optimalen des derzeit Möglichen ziemlich nahe kommt, wenn man davon absieht, dass Lothar Matthäus trotz seiner 39 Jahre und nicht zu übersehender Defizite in Sachen Fitness und Schnelligkeit wieder mitkicken darf.

Aber ist Mut das richtige Wort? Sollte man von Einsicht sprechen, oder hat der Teamchef auch mal eine gute Nacht gehabt? Oder war es am Ende gar nicht Ribbecks Idee? Stellt sich die Mannschaft vielleicht doch selbst auf, wie im deutschen EM-Quartier seit ein paar Tagen gemunkelt wird? "Schreiben Sie einfach: Rotationsprinzip", antwortet Ribbeck in einem Anflug leichter Koketterie. Munter hat der Teamchef Namen und Posten durcheinander gewürfelt. Thomas Häßler räumt für Dietmar Hamann das Feld, Thomas Linkes Posten am Mann übernimmt Markus Babbel. Und Sebastian Deisler darf auf der rechten Seite spielen, "weil es letztlich die offensivere Variante ist". Sagt Erich Ribbeck.

Auch Dietmar Hamann kann sich mit der Idee des Teamchefs anfreunden. "Deisler hat herausragende Qualitäten in der Offensive. Markus Babbel und ich werden alles versuchen, dem Jungen den Rücken freizuhalten." Angst vor der typisch harten Gangart der Engländer hat Deisler nach eigener Aussage nicht. "Wenn das so wäre, dann hätte ich auf dem Platz nichts zu suchen."

Nach vier Kurzeinsätzen rückt er heute zum ersten Mal in die Startformation. "Der Sebastian hat in den letzten Tagen einen guten Eindruck im Training gemacht", sagt Ribbeck. Zuletzt hat er ihn im Training immer in der Stammelf spielen lassen. "Eigentlich sollte das geheim bleiben", sagt Deisler bescheiden. Nur langsam realisiert er, dass "für mich ein Traum in Erfüllung geht".

Ribbeck träumt andere Träume. Aber seine Entscheidung gefällt ihm selbst so sehr, dass er gleich mal nachfragt, "wie alt dieser Michael Owen war, als der das erste Mal für England gespielt hat". Ein englischer Journalist antwortet: "Owen war damals 18." "Oh", sagt Ribbeck, "aber das kann man mir doch nun wirklich nicht zum Vorwurf machen, dass der Sebastian zwei Jahre zu spät spielt."

In sichtbar aufgeräumter Stimmung sagt Ribbeck dann noch: "Wir alle sollten froh sein, dass wir einen solchen Spieler wie den Deisler haben." Es fehlte nicht viel, und der Teamchef hätte das nationale Schicksal mit dem des jungen Fußballers verknüpft, "denn dieses Spiel könnte richtungsweisend für den deutschen Fußball sein". Ribbeck schwärmt weiter und erzählt etwas von einer "Sogwirkung für 13- und 14-Jährige, die werden jetzt sehen, dass sie nicht erst 24 werden müssen, um in Deutschland Nationalspieler zu werden". Dafür braucht man dann nur noch die passenden Füße. Kein Problem, sagt Deisler. "Mein rechter Fuß ist ein bisschen größer als mein linker. Sonst gibt es da keine Besonderheiten."

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