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Sport: England mischt sich ein

Mitten in die Europameisterschaft hinein gibt der Premier-League-Klub FC Chelsea überraschend die Verpflichtung von Portugals Nationaltrainer Luiz Felipe Scolari bekannt

Luiz Felipe Scolari also. Natürlich. Wer denn sonst? Am späten Mittwochabend, kurz nachdem Scolaris Portugiesen 3:1 gegen Tschechien gesiegt und damit vorzeitig das EM-Viertelfinale erreicht hatten, gab der FC Chelsea die Verpflichtung des brasilianischen Fußballlehrers bekannt. „Felipe Scolari hat große Qualitäten“, hieß es in der kurzen Mitteilung, die der Londoner Klub verschickt hatte. „Er ist einer der besten Trainer der Welt.“ Scolari sei fähig, „das beste aus einer talentierten Mannschaft herauszuholen. Seine Einstellungen und Erwartungen entsprechen unseren.“ Und dann: „Er war die erste Wahl für uns.“

Im Rückblick verwundert es, dass Scolari nicht von vornherein als Favorit auf den seit drei Wochen vakanten Job bei Michael Ballacks Klub gehandelt wurde. Chelsea und Scolari – das passt. Da haben sich zwei gefunden, die sich vielleicht nicht gesucht haben, aber doch füreinander bestimmt sind. Auf der einen Seite Roman Abramowitsch: Der milliardenschwere Finanzier des Londoner Traditionsklubs hat die besten Spieler der Welt zusammengekauft und muss doch in jedem Jahr aufs Neue erkennen, dass die besten Spieler noch lange nicht die beste Mannschaft ergeben. Auf der anderen Seite Luiz Felipe Scolari. Ein Trainer mit drei Vorzügen. Er hat Erfolg. Er ist auf dem Markt. Und, am wichtigsten: Er sucht, mit bald 60 Jahren, eine neue Herausforderung.

Scolari war 2002 Weltmeister mit Brasilien, er hat die zuvor mittelmäßigen Portugiesen zu einer europäischen Topmannschaft gemacht und wurde 2004 Vize-Europameister. Seinen Abschied aus Portugal hat er lange angekündigt. Vor zwei Jahren hätte er Trainer der englischen Nationalmannschaft werden können, aber Scolari hat abgewunken. Er sah mit den Engländern keine Perspektive. Diese Perspektive bietet Chelsea: zu zeigen, dass eine aus aller Welt zusammengekaufte Mannschaft auch Erfolg haben kann.

Scolaris Verpflichtung ist ein bei Chelsea nicht unbedingt erwartetes Signal. Sie steht für Kontinuität, und zwar im positiven Sinne. Der Brasilianer will das fortsetzen, was der Portugiese José Mourinho an der Stamford Bridge versucht hat aufzubauen. Der unglückselige Israeli Avram Grant war wohl nie mehr als eine Übergangslösung – vielleicht sogar deshalb, weil Scolari noch nicht frei war, als Mourinho im vergangenen Herbst gehen musste.

Scolari und Mourinho sind in ihrer Fußballphilosophie nicht weit auseinander. Beide teilen sie eine eher defensive Grundauffassung des Spiels. Auch Portugal kommt ja in diesen EM-Tagen nicht gerade wie ein Gewitter des Angriffsfußballs über die Alpen. Es ist die technische Perfektion, die das portugiesische Spiel so schön macht. Die Klugheit, das Tempo. Die Minimierung möglicher Fehlerquellen. Alles basiert auf taktischer Disziplin in der Defensive. Der Rest kommt von allein.

Die wichtigste Figur im portugiesischen Spiel ist mitnichten Cristiano Ronaldo. Er kann im Zweifelsfall den Unterschied ausmachen, aber Scolaris Vertrauensmänner verrichten ihre Arbeit bevorzugt auf der anderen Seite des Platzes.Was Scolaris Inthronisierung für Michael Ballack bedeutet? Es hätte ihn kaum besser treffen können. Ballack interpretiert das Mittelfeldspiel genauso, wie es der Meister mag. Ballack spielt wie Deco, nur körperbetonter, kopfballstärker und noch stringenter.

Wenn Scolari sich einen Spieler wie für die portugiesische Mannschaft wünschen könnte, würde er einen wie Ballack wählen.

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