Wild gestikulierend redete Oleg Blochin auf den vierten Offiziellen am Spielfeldrand ein. Der Trainer der Ukraine konnte es nicht fassen. Wut stand ihm im hochroten Gesicht. Im Tor war der Ball, schrie Blochin, doch es nützte nichts. Schiedsrichter Viktor Kassai aus Ungarn beurteilte die Szene anders – und lag falsch. Marko Devic war frei auf das englische Tor zugelaufen, Torhüter Joe Hart brachte seinen Körper noch irgendwie an den Ball, doch der flog im hohen Bogen seinem Ziel entgegen. Im vermeintlich letzten Moment rettete John Terry, doch im Fernsehen wurde deutlich, dass der Ball, wenn auch nur knapp, in der 62. Minute die Linie überschritten hatte. Weil Kassai aber keine Fernsehkamera benutzen darf und das Geschehen in Sekundenbruchteilen beurteilen muss, entschied er sich für die ihm vermutlich sicherer erscheinende Variante.
"Sie haben uns ein Tor gestohlen. Der Ball war einen Meter hinter der Linie", sagte der ukrainische Nationaltrainer Oleg Blochin zur aufregendsten Szene des Spiels. England gewann durch ein Tor von Wayne Rooney 1:0 (0:0) und steht als Gruppensieger im Viertelfinale. Für die Ukraine, die das Spiel hätte gewinnen müssen, ist die Europameisterschaft beendet. Damit ist nach Polen auch der zweite Gastgeber ausgeschieden. Im Gegensatz zu den verkrampft spielenden Polen fiel das Aus der Ukraine sportlich tragisch aus. Sie hatten vor 48 700 Zuschauern in Donezk alles gegeben, doch am Ende reichte es nicht.
Bildergalerie: So trauern die Fans der Ukraine nach dem EM-Aus

Von der Hoffnung und Begeisterung, wie sie nach dem ersten Spiel gegen Schweden noch geherrscht hatte, war kurz nach Spielschluss nichts mehr übrig geblieben. Vor etwas mehr als einer Woche hatte Andrej Schewtschenko in Kiew beide Tore zum 2:1-Sieg gegen Schweden geschossen. Wie nach Drehbuch. Ausgerechnet er, einer der besten Fußballer in der Geschichte der Ukraine, hatte sich in der heißen Sommernacht von Kiew noch einmal aufgerafft zu einer letzten Heldentat. Und es schien für einige, wenige Tage, als könnte Schewtschenko mit seinen 35 Jahren die Mannschaft durchs Turnier tragen. Andrej Schewtschenko war zur personifizierten Hoffnung des Gastgeberlandes geworden.
- Ball drin, Gastgeber draußen
- Schewtschenko sitzt zu Beginn nur auf der Bank
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