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Umstrittenes Symbol im Stadion. Ein Tottenham-Fan zeigt während des Derbys gegen den FC Arsenal die israelische Nationalfahne. Foto: Imago

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Englischer Traditionsklub "Tottenham Hotspur": Stolz auf ein antisemitisches Schmähwort

Bei Tottenham Hotspur gibt es Ärger um die Fans. Denn trotz Verbot benutzen die Anhänger des englischen Traditionsklubs immer noch den antisemitischen Begriff „Yid“ als Selbstbezeichnung.

Das Problem ist, dass man das ganze Stadion nicht verhaften kann. Die Londoner Polizei hat das auch eingeräumt, nachdem sie am Sonntag einen Fan von Tottenham Hotspur wegen der Benutzung des Begriffs „Yid“ festgenommen hat. Hunderte von Tottenham-Anhängern haben während des Spiels den Begriff auch gerufen, aber, wie Chef-Superintendent Mick Johnson gesagt hat: „Es ist schwer, sie individuell auszusuchen. Der festgenommene Mann aber hat ins Gesicht eines Polizisten geschrieen.“

Seit Jahren wird der Begriff „Yid“ – ein englisches Schimpfwort für Juden, das in den 30er Jahren von den faschistischen „Schwarzhemden“ eingeführt wurde – unter Tottenham-Fans als anfeuernde Selbstbezeichnung benutzt. Der Klub aus Nordlondon wird traditionell mit der jüdischen Bevölkerung der Hauptstadt assoziiert, und gegnerische Fans haben das Wort ursprünglich als Beleidigung benutzt. Im Laufe der Zeit haben manche Fans der „Spurs“ den Begriff für sich reklamiert, und nennen sich selbst die „Yid Army“.

Ob sie das Recht darauf haben, ist aber fraglich. Spurs-Fans behaupten, dass sie das Wort benutzen, um sich gegen den Rassismus der anderen Fans zu verteidigen. Ihre Kritiker meinen, das Wort sollte nie im Fußballstadion benutzt werden.

Vor ein paar Wochen hat der englische Fußballverband FA Fans aller Klubs – inklusive Tottenham – davor gewarnt, dass die Benutzung des Begriffs rechtliche Folgen haben würde. Doch diese Drohung wurde am Wochenende von Spurs-Fans größtenteils ignoriert.

Fans bekommen Unterstützung von David Cameron

Dabei haben sie auch die Unterstützung des britischen Premiers. David Cameron hat neulich der jüdischen Zeitung „The Jewish Chronicle“ gesagt: „Es gibt einen Unterschied zwischen dem Begriff als Selbstbezeichnung von Spurs-Fans und dem als Beleidigung. Hassrede ist strafbar, aber nur, wenn sie von Hass motiviert wird.“

Das Argument ist zwar nachvollziehbar. Es gibt einen klaren Unterschied zwischen dem Spurs-Fan, der sich einfach „Yiddo“ nennt, und dem Chelsea-Fan, der „Ich hab eine Vorhaut, ihr nicht“ singt, oder der West Ham-Fan, der „Hitler kommt, er sucht nach dir“ schreit. Aber die meisten Tottenham-Fans haben gar keine Verbindung zur jüdischen Gemeinschaft. Das Büro für nationale Statistiken sagt, dass im Jahre 2011 nur 2,6 Prozent der Menschen in Tottenham sich zum jüdischen Glauben bekannt haben. Die historische jüdische Unterstützung des Vereins kam auch nicht aus Tottenham, sondern aus dem Osten der Stadt.

Heutzutage ist es auch schwer herauszustellen, dass Tottenham ein „jüdischer Klub“ ist. Der Verein selbst macht nichts aus seiner jüdischen Verbindung – das hat fast ausschließlich mit seiner Fankultur zu tun. Und nicht alle Fans wollen sich daran beteiligen. Ein Tottenham-Fan mit jüdischer Herkunft sagt: „Für mich gibt es keine Verbindung zwischen meiner Identität als Spurs-Fan und meiner Identität als Jude. Unsere Fans haben nicht das Recht, den Begriff zu für sich zu beanspruchen.“ Der Anhänger von Tottenham sagt zudem: „Jüdische Fans gibt es auch bei West Ham, Chelsea und Arsenal, und bei uns gibt es auch Muslime. Ich denke auch, dass die meisten Fans nicht merken, dass es um Rasse geht. Die denken halt, dass es ein Spurs-Ding ist.“

Tottenham Hotspur-Fans wissen nicht, was sie singen

Von den meisten Fans anderer Klubs werden die Gesänge gegen Tottenham wohl nicht bewusst als Rassismus gesehen – vielmehr ist es wohl so, dass die Fans nicht wissen, was sie da tatsächlich singen. Der jüdische englische Komiker David Baddiel, der zuletzt eine Kampagne geführt hat, um die Aufmerksamkeit für die Bedeutung des Begriffs zu erhöhen, sieht es als einen Teufelskreis. Je mehr die Spurs-Fans das singen würden, desto mehr fühlten sich gegnerische Fans im Recht, das Wort „Jude“ als Schimpfwort zu benutzen, meint er. Im schlechtesten Fall ist das gefährlich für die Fans des Londoner Klubs: Viele Tottenham-Fans wurden in der letzten Saison von antisemitischen Lazio-Anhängern in Rom nach einem Spiel der Europa League angegriffen.

Der Klub selbst hat darauf verzichtet, zu offensiv mit dem Thema umzugehen. Längst sei er im Gespräch mit Fans über die weitere Benutzung des Begriffs „Yid“, lauten die offiziellen Aussagen. Der Tottenham-Hotspur-Supporters-Trust (THST) bietet derweil allen Fans Rechtsbeistand an, die wegen der Benutzung des Wortes verhaftet werden. Laut THST würde der Begriff „Yid“ von den Fans nicht als Schimpfwort eingesetzt. Was allerdings keine Rolle spielt, schließlich kann es als Beleidigung aufgefasst werden. Trotzdem ist der Kampf der FA wohl erst am Anfang, die öffentliche Diskussion könnte hilfreich sein.

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