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Norbert Düwels Zeit beim 1. FC Union ist abgelaufen.

© dpa

Entlassung beim 1. FC Union Berlin: Norbert Düwel: Der Mann, der zu viel wusste

Der Fußballfachmann Norbert Düwel hat Union vorangebracht. Am Ende hat er Verein und Mannschaft vielleicht aber einfach überfordert. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Sebastian Stier

Zuletzt hatte Norbert Düwel oft eine andere Meinung als viele, die sich Fußballspiele seines 1. FC Union anschauen. Wo der Trainer des Berliner Zweitligisten ein intensives, rassiges Spiel sah, bemängelten Beobachter Ideenlosigkeit und Leerlauf. Wo Düwel Pech bei den vielen späten Gegentoren ausmachte, wollten Fachleute auch Unfähigkeit erkannt haben. Vielleicht ist Düwel tatsächlich der Blick für die Realität abhandengekommen, weil er sich zu sehr aufrieb in seinem Beruf.

Vielleicht aber wollte er auch einfach nicht zugeben, was offensichtlich war: Dass seine Mannschaft auf der Stelle tritt, dass keine Entwicklung und kein Spielkonzept zu erkennen sind. Und dass die Ligaspitze in weite Ferne rückt nach fünf Spielen ohne Sieg.

Düwel, der Fußballfachmann mit dem enormen Wissen um Theorie und Trainingslehre, scheiterte am Ende auch an seiner eigenen Unberechenbarkeit, mit der er nicht nur den Gegner, sondern oft auch die eigenen Spieler verwirrte. Regelmäßig änderte er Taktik und Personal, alle sollten alles können, niemand sollte sich seiner sicher sein. Dabei vergaß Düwel, dass er es nicht mit internationalen Spitzenspielern zu tun hatte wie zu der Zeit, als er bei Manchester United hospitierte. Wer zuvor noch in der Startelf stand, konnte beim nächsten Spiel noch nicht einmal zum Kader gehören. Nicht alle konnten mit dieser Art von Druck gleich gut umgehen.

Düwel wird als Reformator in Erinnerung bleiben, der vor keiner Entscheidung zurückschreckte

So blieb er nur knapp mehr als ein Jahr Trainer des 1. FC Union. In Erinnerung wird Düwel bleiben als Reformator, als einer, der vor keiner Entscheidung zurückschreckte, ganz gleich wie unpopulär sie dem Fanvolk auch erscheinen mochte. Düwel weckte den Klub aus der Lethargie der letzten Neuhaus-Jahre, er trieb die emotional schwierige aber sportlich unumgängliche Trennung von Vereinsikone Torsten Mattuschka voran und tauschte drei Viertel des Personals aus. Kurz: Düwel vollzog den vom Verein gewünschten Umbruch. Nun muss er gehen, weil man ihm die sportliche Weiterentwicklung der Mannschaft nicht zutraut.

Wie sehr die Ansprüche bei Union gestiegen sind, verdeutlicht die frühe Entlassung des Trainers. Düwels Bilanz seiner insgesamt 39 Liga-Spiele als Trainer liest sich nicht schlecht: Zwölf Siege, fünfzehn Unentschieden, zwölf Niederlagen. Zu wenig jedoch für Dirk Zingler. Der Präsident drängt mit Vehemenz in die Bundesliga. Diesen Ansprüchen wird sich auch der neue Trainer stellen müssen. Mittelmaß wird beim 1. FC Union nicht mehr geduldet.

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