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Sport: Entwicklungshelfer im Marmorpalast

Die Fifa und ihr Präsident Joseph Blatter wollen aus einer edlen Residenz heraus den Fußball verändern

Am Schluss des Vormittags gönnt sich der Präsident ein Glas Weißwein und einen Blick in die Sonne. „Man muss das Fußballspiel genießen“, sagt Joseph S. Blatter und schaut aus dem Fenster. „Aber man darf auch nicht vergessen, das Leben zu genießen.“ Serviererinnen gießen nun Kaffee in Tassen, in die das Wort „Fifa“ eingraviert ist. Zucker wird gereicht im „Home of Fifa“ in der Fifa-Straße – Zucker aus Fifa-Zuckertüten.

Joseph S. Blatter genießt sich gern. Also hat sich der Präsident der Fédération Internationale de Football Association für eine dritte Amtszeit aufgestellt. Einen Gegenkandidaten auf dem Fifa-Kongress in zwei Wochen wird es nicht geben. „Das ist ein Vertrauensbeweis“, sagt der Herr über 208 Fußballföderationen. Man könnte es auch als Höhepunkt einer Karriere auslegen, in der Macht immer die entscheidende Kategorie war. Pünktlich zur Wiederwahl Blatters, der das Image als korruptionsumwehter Funktionär bislang nicht abstreifen konnte, wird auch das für 150 Millionen Euro erbaute neue Fifa-Gebäude in Zürich eingeweiht, das bislang der Öffentlichkeit nicht zugänglich war. Ein Gebäude, das viel erzählt von der Entwicklung des Fußballs vom Spiel zum Ernst. Und vom Aufstieg eines einfachen Fußballers aus dem Wallis zum mächtigsten Sportfunktionär der Welt.

Auf dem Zürichberg thront das 130 Meter lange Glasschiff in einem Naherholungsgebiet. Weil die höchste Stelle des Hauses – natürlich Blatters Büro – nicht über die Baumgrenze hinauswachsen durfte, hat die Fifa fünf Untergeschosse in den Boden stampfen lassen. Dass die Stadt Zürich eine nach dem hier geborenen Sozialökonomen Adolf Jöhr benannte Straße tilgte und die Fifa angesichts von WM-Einnahmen von 1,6 Milliarden Euro kaum erklären kann, warum sie hier als gemeinnütziger Verein residiert – diese Fragen werden an der Netzfassade des Hauses gebrochen wie das Sonnenlicht.

Eine Weltfirma hätte hier Platz. In der marmornen Lobby warten mehrere mehrsprachige Assistenten auf Besuch. Sie weisen den Weg zu den Konferenzräumen, in denen Bildschirme aus Schreibtischen fahren. Andere putzen regelmäßig den Konferenzraum des Exekutivkomitees, der den UN schon wegen seiner spiralförmigen Deckenlampe Konkurrenz macht. Unter der fast 200 000 Euro teuren Lampe wird fortan über die Zukunft des Fußballs entschieden, und vielleicht wird mit dem Einzug von WM-Organisator Franz Beckenbauer in den Führungszirkel bald öfter über das Spiel selbst gesprochen, wie sich Blatter wünscht, „nicht mehr so viel über Politik und Finanzen“. Denn Blatter beklagt zwar, dass die „Reichen immer reicher werden und die Armen bald Habenichtse sind“, aber damit meint er nur die Klubs der finanzstarken Ligen. Sich selbst meint er nicht, auch wenn er eine Million im Jahr von der Fifa bekommt, „die Währung können Sie sich aussuchen“.

Ein Pressegespräch hat stattgefunden, bei dem es nichts zu verkünden gab. Blatter stellt den Weißwein ab, lässt sich mit Journalisten fotografieren und geht zu seinem Büro. An der Tür legt er seinen Finger in eine in die Wand eingelassene Kuhle. Wenn das System den Finger des Fifa-Präsidenten erkennt, öffnet sich die Tür mit einem Klacken.

71 Jahre ist Blatter nun alt. Mit der WM 2006 hat er Rekordeinnahmen erzielt, 2010 in Südafrika will er mit einem exotischen Abschiedstrailer als Fußball-Entwicklungshelfer in die Geschichte eingehen. Dass Blatter an den Organisatoren rummäkelt und mal das eine, mal das andere Land als Ersatzkandidat benennt, macht nur deutlich, wie ernst ihm die Sache ist. Denn wenn er in seinem Büro steht und auf den Weltpokal guckt, kommen ihm auch mal andere Gedanken: An wen könnte ich meine Macht abgeben, kann ich das überhaupt? Öffentlich spricht er nicht gern darüber, aber zuweilen zieht er sich in einen kleinen Raum seines prächtigen „Home of Fifa“ in der Fifa-Straße zurück. „Manchmal sitze ich allein in unserer Kapelle und singe“, erzählt Blatter. „Da hallt meine Stimme so schön.“

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