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Sport: Er rang mit sich selbst

Schweden trauert um Mikael Ljungberg

„Er hat mir versprochen, mich niemals zu verlassen“, sagt die geschockte Lebensgefährtin des schwedischen Ringers Mikael Ljungberg. Am Mittwoch hat sich der 34-Jährige mit einem Laken in einer Psychiatrie erhängt. Als einer der besten Ringer der Welt warf er seine Gegner auf die Matte und konnte nach seiner Karriere einfach nicht akzeptieren, dass er Tabletten und eine psychische Behandlung benötigte. „Was sollen die Leute denken? Der Ringer Mikael Ljungberg braucht keine psychische Behandlung“, soll er seiner Familie gesagt haben.

Noch vor einem Monat machte der schwedische Olympiasieger und zweifache Weltmeister mit seiner Freundin Abenteuerferien in Brasilien und verlobte sich dort mit ihr. Die schwere Depression des vergangenen Jahres schien besiegt. Es war nur eine Täuschung.

Er war ein Held. Als Ljungberg bei den Olympischen Spielen 2000 nach seinem Sieg über den Ukrainer David Saldadze im griechisch-römischen Stil Gold mit nach Hause brachte, jubelte ihm die Nation zu. Es war das erste Ringer-Olympiagold für Schweden seit 48 Jahren.

Doch nach dem Jubel folgte die Trauer. Wegen eines schweren Schulterschadens musste Ljungberg seine Karriere vorzeitig beenden. Dem Spitzensportler kam der Lebenssinn abhanden. „Er sagte sich: Ich tauge zu nichts“, erzählte sein Agent und guter Freund Kent Carlzon jetzt dem schwedischen „Sportblatt“. Kurz darauf starb seine Mutter Gudrun völlig unerwartet an einer Hirnblutung. Einige Wochen später hielt Ljungberg es nicht mehr mit seiner Ehefrau aus und trennte sich von ihr. Im November vergangenen Jahres verbrachte er mehrere Wochen in einer Psychiatrie – wegen schwerer Depressionen. Später kam heraus, dass er bereits zweimal versucht hatte, sich umzubringen.

Im Frühjahr dieses Jahres schien sich sein Leben endlich zum Guten zu wenden. Im März kam er mit seiner neuen Freundin Katarina zusammen. „Die Ferien in Brasilien waren wunderschön“, erzählte sie den Medien. Im Sommer hatte Ljungberg sich eine neue Aufgabe gesucht – mit großen Erwartungen bewarb er sich als Sportchef beim schwedischen Ringerverband. Doch es gab öffentliche Kritik an seinen Fähigkeiten. Vor allem die Ringerinnen stellten sein Talent für den Job in Frage und bezweifelten, dass sich Ljungberg ausreichend für die Ringer-Frauen einsetzen würde. Die Kritik ging Ljungberg sehr nahe. „Er hatte große Pläne, aber er hat nie richtig die Möglichkeit bekommen zu zeigen, was er wollte“, sagt seine Freundin heute. Ljungberg wollte der Verbandsleitung absagen, aber die überredete ihn, den Job anzunehmen.

Ljungberg trat seinen Posten an, doch er zog sich immer mehr zurück. „Es war, als ob er in seiner eigenen kleinen Kapsel verschwinden würde. Er war oft mehrere Stunden lang nicht erreichbar“, berichtet seine Freundin. Am Wochenende verschlechterte sich sein psychischer Zustand so sehr, dass er in ein Krankenhaus eingeliefert werden musste. Am Mittwochnachmittag setzte er dort seinem Leben ein Ende. Die Aufsicht hatte nicht regelmäßig nach ihm geschaut.

Am Freitag besuchten mehrere hundert aktive und ehemalige Ringer Ljungbergs Vereinslokal in Göteborg, um sich in ein Kondolenzbuch einzutragen. Auch die schwedische Regierung würdigte den Sportler mit einer Gedenkstunde. Freundin Katarina kann alles noch nicht fassen: „Es fühlte sich einfach nicht so an, als ob mein Mikael das getan hat. Er hat doch immer gehalten, was er versprach.“

André Anwar[Stockholm]

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