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Sport: Erfahren, aber nicht gerade beliebt: die Rennfahrer Jean Alesi und Johnny Herbert mucken auf

"Mir zieht keiner mehr die Ohren lang." Jean Alesi lacht vielsagend und verschwindet in einem Truck des Sauber-Teams.

"Mir zieht keiner mehr die Ohren lang." Jean Alesi lacht vielsagend und verschwindet in einem Truck des Sauber-Teams. Für seine Verhältnisse ist es schon erstaunlich, dass er nicht noch eine deftige Spitze gegen seinen Noch-Arbeitgeber aus der Schweiz losließ. Der eigentlich stets freundliche Franzose, geboren in Avignon und wie viele seiner Konkurrenten in Monaco lebend, kann durchaus als ein Mensch mit zwei Gesichtern gesehen werden. Niemals würde er den Posten eines Diplomaten übernehmen können, dafür ist er zu direkt, zu ehrlich und zu emotional. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, wann sich Alesi mit seinem neuen Chef ab der kommenden Saison, dem Landsmann und viermaligen Formel-1-Champion Alain Prost, so richtig in die Haare kriegt.

Seine fünfte Station im Grand-Prix-Zirkus nach Tyrrell, Ferrari, Benetton und Sauber bedeutet seine Zukunft, in der Gegenwart muss der Erfahrenste unter den 22 Piloten in der Königsklasse des Motorsports mit 162 Rennen erst noch einmal die vier Proben in Monza, auf dem Nürburgring sowie in Sepang und Suzuka ohne Imageschaden überstehen.

Nicht viele Freunde hat ihm die Abrechnung in der Schweizer Tageszeitung "Blick" eingebracht. "Einige Leute sind sicher froh, dass ich gehe. Sie haben in Zukunft in Hinwil oder sonstwo weniger Druck. Technisch geht doch bei Sauber kaum etwas vorwärts", wird er dort zitiert. Die Experten sind sich längst einig, dass es ohne ihn noch viel schlimmer aussehen würde. Wenn einer den Sauber-Petronas so richtig auf Touren bringen kann, dann nur ein Alesi, glauben Kenner der Szene.

"Das Risiko liegt mir im Blut", sagt Alesi, "ich kenne keine Angst." Zukünftig wird er dies also bei Prost beweisen müssen, jenem Team, das neben Sauber zu den großen Verlierern der Rennsaison 1999 zu rechnen ist. Es wäre nur normal, wenn er dann als "Dino" in der Szene - momentan ist das noch der Brite Damon Hill, der in der kommenden Woche 39 Jahre alt wird - auch zum Auslaufmodell wird. Sein einziger Sieg 1995 in Kanada im roten Ferrari ist sehr lange her, die bisher 234 Grand-Prix-Punkte sind nur etwas für die Statistiker. "Ich bin immer noch heiß", versichert Alesi jedoch immer wieder. Auch ein vielfacher Millionär sorgt sich eben noch um seinen Marktwert.

Aber so sind sie alle, das gehört zum PS-Geschäft. Auch der Engländer Johnny Herbert zählt zu denen, die zur Zeit nur noch von ihrem einstmals guten Namen leben. Damit haben sich aber auch schon die Gemeinsamkeiten mit Alesi erschöpft, nur noch das Alter der beiden stimmt überein. Seit 1989 sind beide zudem im Formel-1-Zirkus, gemeinsam fuhren sie bei Tyrrell und Sauber. Herbert, der bei Stewart-Ford noch einen Vertrag bis ins Jahr 2000 hat, kann auf zwei Siege verweisen, darunter einen in Monza. Mit 140 Rennen und nur 85 Punkten fällt er jedoch gegenüber Alesi ab. "Na und? Dafür habe ich zur Zeit einen Zähler mehr", gibt Herbert zurück.

Bei den Fahrern wird Herbert von ehemaligen Teamkollegen als "linke Bazille" gesehen. Michael Schumacher bei Benetton, Heinz-Harald Frentzen und Jean Alesi bei Sauber hatten vom so lustig und freundlich scheinenden kleinen Mann (1,67 m) jedesmal ziemlich schnell die Nase voll, weil er nur sein Abschneiden im Sinn gehabt haben soll. "Alles, was ich will, ist eine faire Chance", kontert Herbert, dem in der Vergangenheit sein Status als Nummer zwei in einem Team gehörig auf den Geist gegangen war. "Ich habe einfach darüber gesprochen, wie schwer eine solche Position ist", erinnert er sich. "Ich glaube nicht an Glück. Jeder ist vielmehr selbst seines Glückes Schmied." Im kommenden Jahr ist Herberts Job - im Gegensatz zu dem von Alesi - auf jeden Fall stark gefährdet. Und dann mit Irvine im Team, der selbst kompromisslos, schnell und dazu noch überhaupt nicht zurückhaltend in der Öffentlichkeit ist. Das Karriereende kann für Herbert schneller kommen, als er zur Zeit noch glaubt. Die jungen, heißblütigen Fahrer warten nur auf ihre Chance, das Erbe der Oldies antreten zu dürfen.

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