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Sport: Erinnerungen an Irland und Ibaraki

„Man kennt die Iren ja“, sagt Joachim Löw. Natürlich.

„Man kennt die Iren ja“, sagt Joachim Löw. Natürlich. Sie grätschen gern und oft, dreschen den Ball von der Mittellinie in den Strafraum, und kopfballstark sind sie auch. Während der Bundestrainer über die Charakteristika des samstäglichen Gegners referiert, lächelt Oliver Bierhoff sein Danone-Lächeln, und der 5. Juni 2002 ist ganz weit weg. Bierhoff ist damals eingewechselt worden im bislang letzten Spiel einer deutschen Nationalmannschaft gegen Irland in Ibaraki, Japan. Deutschland führte in der WM-Vorrunde 1:0, und es lief die letzte Minute, als Bierhoff seinen Kollegen Michael Ballack mit einem Querpass um ein paar Meter verfehlte. Ein Ire drosch den Ball lang und hoch in den deutschen Strafraum, ein anderer verlängerte mit dem Kopf zu Robbie Keane, der zum 1:1 traf. Gleich danach war Schluss, und Oliver Kahn hätte Bierhoff am liebsten den Kopf abgerissen.

Oliver Kahn ist vor ein paar Wochen aus der Nationalmannschaft zurückgetreten, Oliver Bierhoff dient ihr als Manager, aber Robbie Keane pflügt immer noch über den Rasen. Der Stürmer aus Tottenham trägt zum Auftakt der EM- Qualifikation Irlands Hoffnungen, es möge alles besser laufen als im letzten Testspiel. Das ging vor zweieinhalb Wochen 0:4 gegen Holland verloren, und die irischen Zeitungen debattierten seitdem ausführlich, wie lange sich Trainer Steve Staunton noch halten kann. Mit 102 Länderspielen ist Staunton Rekordnationalspieler, und als er im Januar den glücklosen Brian Kerr als Nationaltrainer ablöste, feierten ihn die Iren als ihren Jürgen Klinsmann. Lange her.

Beim 1:1 in Ibaraki stand Staunton noch als Verteidiger auf dem Platz, es war sein 100. Länderspiel. Beim Abschlusstraining in Stuttgart läuft der 37-Jährige in seinen kurzen Hosen über den Platz, er könnte immer noch als Nationalspieler durchgehen, würde das Hemd nicht ein wenig über dem Hosenbund spannen. Seine Erfahrung als Trainer beschränkt sich auf ein paar Monate als Assistent beim englischen Drittligisten Walsall, manche halten ihn für einen Befehlsempfänger des 73-jährigen Bobby Robson, den die Iren als Berater engagiert haben. Robson erholt sich zurzeit von einer Gehirnoperation, und Staunton muss in Stuttgart allein zurechtkommen. Er verweist darauf, dass beim Debakel gegen die Holländer seine drei besten Spieler nicht dabei waren: Torwart Shay Given, Flügelstürmer Damien Duff und eben Robbie Keane. Heute werden sie alle dabei sein, „sehr gute Leute“, sagt Jens Lehmann, der Torhüter des FC Arsenal kennt sie aus dem Alltag der englischen Premier League.

Eine Stunde lang stimmen sich die Iren auf dem Stuttgarter Rasen ein, und immer wieder schlagen sie den Ball hoch vors Tor, dorthin, wo Robbie Keane ihn heute Abend verwerten soll. So wie am 5. Juni 2002, in der Schlussminute des WM-Spiels von Ibaraki.

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