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Sport: Erlaubt ist, was sie glücklich macht

Monique Garbrecht-Enfeldt kann ihren Titel bei der Eisschnelllauf-WM nicht verteidigen – dennoch ist die Berlinerin so befreit wie nie zuvor

Berlin. Eigentlich müsste Monique Garbrecht-Enfeldt richtig sauer sein. Ausgerechnet Anni Friesinger schnappte ihr den Sieg weg. Ausgerechnet auf ihrer Lieblingsdistanz, den 1000 Metern, patzte die Titelverteidigerin, und das alles ausgerechnet in ihrer Heimatstadt. Doch anstatt enttäuscht zu sein, bleibt sie bei der Ehrenrunde von allen Läuferinnen am längsten auf dem Eis und lässt sich von den Fans feiern, während Friesinger bereits unterwegs zur Siegerehrung ist. Gleich zweimal muss Garbrecht-Enfeldt die vielen Blumen und Plüschtiere am Rand der Eisbahn stapeln, und selbst die holländischen Fans jubeln ihr zu. Sie feiern eine Athletin, die trotz des verpatzten 1000-Meter-Laufs auf die erfolgreichste Saison ihrer Laufbahn zurückblickt.

Der zweite Frühling von Monique Garbrecht-Enfeldt war mit harter Arbeit verbunden. Die 34-jährige Berlinerin wagte im vergangenen Jahr einen riskanten Schritt. Sie trennte sich von ihrem Trainer Joachim Franke, schloss sich der Trainingsgruppe des Niederländers Bart Schouten an und verlagerte ihren Trainingsmittelpunkt nach Salt Lake City. Ausgerechnet Salt Lake City, die triste Olympiastadt am Fuße der Wasatch Mountains. Doch hier kann sie im Utah Olympic Oval trainieren, der schnellsten Eisschnelllaufhalle der Welt. „Die ersten Wochen waren nicht leicht“, erinnert sich Garbrecht-Enfeldt im Nachhinein. „Ich war total fertig, richtig kaputt. Ich habe mich innerlich gefühlt wie ein praller Luftballon, den jemand mit einer Nadel pikt und der zu platzen droht.“

Das neue Umfeld veränderte die früher zurückhaltende neunmalige Weltmeisterin spürbar. Heute redet sie von ihrem Trainer „Bart“, den alten nennt sie auch nach sechs Jahren Zusammenarbeit „Herr Franke“. Es war nicht die Unzufriedenheit, die sie dazu brachte, nach Amerika zu gehen. „Entscheidend ist, dass ich mich dazu entschlossen habe, mein Umfeld und meine Rolle selbst zu bestimmen“, sagt Garbrecht-Enfeldt. „Ich brauche die neuen Herausforderungen als Stimulanz, ein neues Land, eine andere Kultur und Sprache, neuen Input im Training.“ Die andere Sprache ist mittlerweile selbstverständlich geworden. Wer die Deutsche während der WM mit den Konkurrentinnen aus den USA und Kanada plaudern sah, musste schon genau hinhören, um den deutschen Akzent auszumachen.

Monique Garbrecht-Enfeldt fühlt sich sichtlich wohl. Sie lacht viel, verteilt Autogramme und kann gar nicht verstehen, wie „steif und unfreundlich“ doch die Menschen hier zu Lande sind. Dabei waren diese Worte vor einigen Jahren auch auf sie zutreffend. Es sind vorwiegend die amerikanischen Trainingspartner, unter ihnen 1500-MeterOlympiasieger Derek Parra, die der Berlinerin die Lockerheit beibrachten. In den USA ist es selbstverständlich, auch mal „I love you“ zu sagen statt nur „I like you“. Herzlichkeit wird im neuen Trainingsumfeld groß geschrieben. Das, was andere als übertrieben oder aufgesetzt empfinden, ist für Garbrecht-Enfeldt beflügelnd.

Doch die lockere Atmosphäre in Amerika ist nicht gleichbedeutend mit lockeren Runden auf dem Eis. Bart Schouten hat mit ihr hauptsächlich an der Technik gefeilt, immer wieder Videos analysiert. Mit 34 Jahren war das eine schwierige Herausforderung. Doch die Erfolge stellten sich überraschend schnell ein. In der vergangenen Saison holte sie den Gesamtweltcup über 500 und 1000 Meter, gewann 14 von 18 Weltcuprennen, und in ihrer Heimatstadt überzeugte sie trotz des enttäuschenden sechsten Platzes über 1000 Meter mit der Goldmedaille im 500-Meter-Rennen.

Die Fans wissen dies zu würdigen, dennoch stand sie immer im Schatten ihrer deutschen Rivalinnen. Im „Zickenduell“ von Friesinger und Pechstein kann Garbrecht-Enfeldt nichts Positives erkennen. Die beiden verstehen es, sich geschickt zu vermarkten. Aber sie will durch sportliche Erfolge glänzen. Dass sie ebenfalls Vermarktungspotenzial besitzt, zeigte sie kürzlich in der „Bunten“, als sie sich im eleganten Abendkleid fotografieren ließ. Die fehlende Präsenz in den Medien hat auch andere Gründe. Während der Weltcup der Allrounder in der vergangenen Saison mehrere Stationen in Europa einlegte, mussten die Sprinter in Japan, China und Amerika antreten, wo die kurzen Distanzen populärer sind.

Monique Garbrecht-Enfeldt wird das Schattendasein verkraften. Denn ihre momentane Ausgeglichenheit beweist, dass sie nicht im Rampenlicht stehen muss wie andere Kolleginnen. Mit ihrem schwedischen Ehemann, holländischen Trainer und der amerikanischen Trainingsgruppe läuft sie erfolgreich wie nie zuvor, nachdem sie Mitte der Neunzigerjahre bereits das Eis verlassen wollte. Ans Aufhören denkt Garbrecht-Enfeldt indes nicht mehr. „Mit 34 Jahren ist man heute auch im Hochleistungssport wirklich noch nicht Methusalem.“

Matthias Bartsch

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