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Sport: Erlebnis statt Ergebnis

Schalke braucht dringend einen großen Fußballabend – da kommt der AC Mailand gerade recht

Hannover oder Mailand – was ist der Maßstab für Schalke 04? Zwar wurde das 2:0 über Hannover 96 am Wochenende als Wende zum Besseren gefeiert. Doch für einen ambitionierten Klub wie den Vizemeister sollten solche Erfolge im Alltag eigentlich selbstverständlich sein. Heute tritt Schalke im ersten Champions-League-Heimspiel der Saison gegen den AC Mailand (20.45 Uhr, live bei Sat1 und Premiere) an. Doch auch der 17-malige Italienische Meister kann für die Schalker im Augenblick kein Maßstab sein. Um Enttäuschungen vorzubauen, hat Manager Rudi Assauer das Spiel schon vor dem Anpfiff zum Erfolg umdefiniert. „Gegen Mailand können wir nur gewinnen, egal wie es ausgeht. Wenn wir einigermaßen mithalten, ist viel erreicht.“ Auf das Erlebnis kommt es also an, nicht so sehr auf das Ergebnis, so lautet die Botschaft, zumal nach dem rätselhaft schwachen Auftritt bei der Premierenpartie vor zwei Wochen in Eindhoven.

Die 0:1-Niederlage von Eindhoven hat gezeigt, welch große Wirkung ein kleiner Fehler haben kann, weit über den Tag hinaus. Nach dieser ersten und bisher einzigen Pflichtspielniederlage in dieser Saison wurden alle in Frage gestellt: die Profis, der Trainer, sogar der längst nicht mehr allmächtige Manager. Das Beben von Eindhoven, von Assauer als sportliche Katastrophe beschrieben, schüttelte den ganzen Verein durch. Fortan kam jedes Unentschieden in der Bundesliga wie eine Niederlage daher – zumindest sah das die im Revier tonangebende Boulevardpresse so.

Vielleicht hat gerade der Umstand, dass ausnahmsweise nicht allein der Trainer in Bedrängnis geriet, eine Solidarität gefördert, wie sie vom Prinzip her bei anderen, wirklichen Unglücksfällen zu beobachten ist. In solcher Lage bricht normalerweise entweder das Chaos aus oder die Ordnung wird mühevoll und allmählich wiederhergestellt. Worauf es in Schalke hinausläuft, ist derzeit noch nicht sicher. Der neue Stabilitätspakt wirkt jedenfalls ein wenig fragil. Die Wahrheit über das Schalker Leistungsvermögen liegt irgendwo auf dem weiten Feld, das sich zwischen den Fußballwelten Hannover und Mailand auftut, vermutlich in der Nähe von Eindhoven. „Milan ist nicht jeden Tag, da kann man sehen, wie weit wir international sind“, sagt Mannschaftskapitän Ebbe Sand.

Einen Sieg über den AC Mailand zu fordern, halten die Verantwortlichen für vermessen. Und doch braucht jeder, der in Schalke Rang und Namen hat – nicht nur Ralf Rangnick – dringend einen Fußballabend, der Eindruck macht. Rangnicks Bilanz nach genau einem Jahr als Trainer des FC Schalke 04 kann sich sehen lassen: fünfzig Pflichtspiele, dreißig Siege. „Wenn das jemand vorhergesagt hätte, wäre er als Scharlatan oder Phantast abgetan worden“, sagt der Fußball-Lehrer.

Rangnicks Spieler haben allerdings lange nicht gegen einen großen Gegner gewonnen haben. Seit dem 1:0 über die Bayern im März hat Schalke in der Bundesliga kein Spitzenspiel mehr für sich entschieden. Mit einem Sieg über den AC Mailand könnte der Trainer seine auflagenstarken Kritiker ruhig stellen, gegen den Trend vielleicht sogar länger als bis zum nächsten Spiel. Auch das Management und seine Investitionspolitik ständen in einem helleren Lichte da. Die Profis wiederum benötigen ein exorbitantes Erfolgserlebnis, um sich auf den Bühnen des nationalen und internationalen Fußballs wieder ein wenig Respekt zu verschaffen. Insofern geht es ihnen ähnlich wie der deutschen Nationalelf. Wie Rangnick und Assauer stehen auch hoch dotierte und teils teuer eingekaufte Stars wie Bordon, Ernst, Larsen und Kuranyi unter besonderer Beobachtung.

Ein großes Fußballfest gegen den AC Mailand könnte den Befreiungsschlag hervorbringen – mit Wirkung nicht nur auf den Boulevard. Rudi Assauer formulierte diese Hoffnung beinahe poetisch: „Manchmal siegt Form über Klasse“, sagte der Schalker Manager. „Wenn du so einen Schlag machst, hast du wieder Luft unter den Flügeln. Auch für die Bundesliga.“

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