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Sport: Ermittlungen und leere Ränge

17-Jähriger unter Mordverdacht – Hälfte der Spiele in Italien ohne Publikum

Im Fall des bei Krawallen im sizilianischen Catania getöteten italienischen Polizisten Filippo Raciti hat die Staatsanwaltschaft am Donnerstag ein Ermittlungsverfahren wegen Mordes gegen einen 17-Jährigen eröffnet. Der Jugendliche war bereits am Dienstag verhaftet worden. Der zunächst durch Videomaterial und dann durch Abhörmaßnahmen enttarnte 17-Jährige habe die Tat „zumindest teilweise“ gestanden, hieß es am Donnerstagabend. Der Verteidiger indes bestritt jedwedes Eingeständnis seines Mandanten.

Ebenfalls am Donnerstagabend befand ein aus Regierung, Polizei, Fußballbund und Liga zusammengesetzter „Beobachterrat“, dass 25 Stadien des italienischen Spitzenfußballs die Sicherheitsnormen des Staates nicht erfüllen. In ihnen können die Begegnungen der Profiligen Serie A und Serie B bis auf weiteres nur vor leeren Rängen stattfinden. Außerdem werden – ganz entgegen italienischer Gewohnheit – alle Spiele vom Abend auf den Nachmittag verlegt. Bei Tageslicht glaubt man, Fan-Randale besser eindämmen zu können.

Die 42 Vereine der beiden Spitzenligen, die zuerst auf Konfrontationskurs mit der Regierung gegangen waren, fanden sich am Donnerstagabend nach einer mehr als vierstündigen Krisensitzung mit dieser Regelung ab. „Wir nehmen am kommenden Wochenende den Spielbetrieb wieder auf“, sagte Liga-Präsident Antonio Matarrese, „um ein Beispiel von Ruhe und Gelassenheit zu geben. Niemals zuvor hat die Liga einen solch klaren Beweis ihres Verantwortungsbewusstseins geliefert.“ Beobachter indes werten das Nachgeben der Liga als klare Niederlage gegenüber der Regierung von Ministerpräsident Prodi.

Mit am meisten schmerzt die Klub-Präsidenten, dass das gewaltige Mailänder San-Siro-Stadion vorerst nicht für das Publikum freigegeben wird. Der Vizepräsident des AC Milan, Adriano Galliani, sagte, Milan und Lokalrivale Inter hätten zusammen bereits 20 Millionen Euro für die Nachrüstung mit Videoanlagen, Absperrungen und anderen Sicherheitsmaßnahmen ausgegeben. Man habe darauf vertraut, dass die von den Behörden selbst immer weiter hinausgeschobene Frist für die Fertigstellung nicht angetastet werde. Von dem gegenläufigen Beschluss der Regierung, die nach den Randalen von Catania keinen Aufschub mehr duldet, werde man kalt überrascht.

Um in der Champions League sein Spiel gegen Celtic Glasgow nicht in einem „Geisterstadion“ spielen zu müssen, will der AC Milan nun am 7. März ins Ausland ausweichen: „Viele freundliche Gesellschaften in Europa haben uns ihr Stadion angeboten“, sagte Galliani. Eine Entscheidung über den Spielort sei noch nicht gefallen.

Vor dem offenbar überaus kontroversen Gipfeltreffen der Klubpräsidenten am Donnerstagabend hatten zahlreiche Vereinschefs zur Härte gegenüber dem Regierungsdekret aufgerufen. „Entweder es werden alle Stadien geöffnet, oder wir spielen in keinem“ sagte Aldo Spinelli aus Livorno. Das Resultat im zweiten Fall werde „ein totales Chaos“ sein. Auch Spieler kündigten Streikmaßnahmen an. Ein Berater der Liga drohte bereits, die Konfrontation werde „enden wie in den Banlieues von Paris: im Feuer“.

Vor Publikum bespielbar sind in der Serie A nur die Stadien in Rom, Genua, Siena, Cagliari, Turin und Palermo. Einige Arenen sollen noch die Chance bekommen, rechtzeitig die Sicherheitsauflagen zu erfüllen. In der Serie B retten sich drei Stadien nur infolge eines augenzwinkernden Entgegenkommens der Regierung: Ungeachtet ihrer tatsächlich weit höheren Kapazität der Stadien hatten die Vereine erklärt, sie hätten nur 9 999 Plätze zur Verfügung. Auf diese Weise umgingen sie die vor zwei Jahren verordneten Sicherheitsmaßnahmen, die für Stadien ab 10 000 Plätzen gelten.

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