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Sie fliegen hoch. Denis Cheryshev und seine russischen Teamkollegen feiern einen Auftakt nach Maß.

© Carl Recine/Reuters

Update

Eröffnungsspiel der WM 2018: Russland feiert ein unverhofftes Schützenfest

Zum Auftakt der 21. Fußball-Weltmeisterschaft gewinnt der Gastgeber gegen Saudi-Arabien mit 5:0 – und verzückt mit schönen Toren.

Ein Präsident ist ein Präsident ist ein Präsident und kein Groupie. Also lehnte sich Wladimir Putin in seiner Loge zurück, breitete zufrieden die Arme aus und empfing den Glückwunsch des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Ja, der russische Fußball lebt, und wie! Zum Auftakt der Weltmeisterschaft legte der Gastgeber einen Auftritt hin, wie ihn kaum jemand erwartet hatte, nicht einmal Wladimir Putin, der angriffslustige Patriot im Rang eines Staatspräsidenten. 5:0 (2:0) siegten seine kickenden Landsleute im Eröffnungsspiel über Saudi-Arabien. 78 000 Zuschauer im Moskauer Luschniki-Stadion waren begeistert von diesem Spektakel, einer wahrhaft kurzweiligen Eröffnungsfeier.

So zurückhaltend wie Wladimir Putin nach auch Stanislaw Tschertschessow das unverhoffte Schützenfest zur Kenntnis. „Auch für diesen Sieg gibt es nur drei Punkte“, sprach der russische Trainer und wies darauf hin, „dass diese hier ein Turnier ist, und es endet nicht mit diesem Spiel.“ Das ist schon richtig, aber natürlich Tschertschessow hatte den großen Druck gespürt, nach zuvor acht sieglosen Monaten. Auch das Publikum wirkte zunächst angespannt, jedenfalls die russische Mehrheit im Luschniki. Robbie Williams mühte sich bei der erfreulich kurzen Eröffnungsfeier mit einem Best-of seines Werkes der vergangenen zwei Jahrzehnte, verlor aber am Ende den Kampf gegen das Personal am Mischpult und die blechernen Lautsprecher. Danach waren die beiden Präsidenten dran. Sie wurden durchaus herzlich begrüßt, was für Gianni Infantino vom Fußball-Weltverband Fifa ein sensationeller Erfolg war, wenn man zum Vergleich heranzieht, wie sein Vorgänger Sepp Blatter in allen Stadien der Welt begrüßt wurde. Wladimir Putin ist dagegen mehr als nur freundlichen Beifall gewohnt, aber es waren ja auch allerlei Südamerikaner im Stadion und sogar ein paar Saudis.

Ein dunkles Grollen rollt durchs Stadion

Als es zum sportlichen Teil überging, machte das russische Publikum schon einiges her. Wann immer die Spieler in den roten Leibchen sich auf dem Weg Richtung saudisches Tor machten, rollte ein dunkles Grollen durchs Stadion – anders als bei Robbie Williams gereichte die Akustik im Stadion der Fußball-Atmosphäre zum Vorteil. Die Russen spielten nicht gerade taktisch geordnet, aber mit sehr viel Leidenschaft. Und sie hatten Torchancen. Die erste bot sich Alan Dsagojew, er zauderte jedoch einen Tick zu lange, so dass nur eine Ecke dabei heraussprang. Juri Schirkow zog sie nach innen, der Ball flipperte hin und her, bis er Alexander Golowin vor die Füße sprang. Der durfte nochmals flanken, genau auf den Kopf von Sergej Gasinki, und schon war es da. Das erste Tor dieser 21. Weltmeisterschaft, erzielt um 18:13 Uhr Ortszeit vom blonden Mittelfeldmann aus Krasnodar.

Das frühe Tor nahm den Russen einiges von der Unsicherheit, die sich in den Wochen und Monaten der Sieglosigkeit verbreitet hatte. Sie trauten sich auch mal was, machten dabei immer noch allerlei Fehler, aber so richtig in Gefahr gerieten sie kaum einmal. Dafür waren die Saudis einfach zu harmlos. Als sie dann doch einmal vor das russische Tor kamen, ging der russische Innenverteidiger Sergej Ignatschewitsch dazwischen, so resolut, dass er seinen Torhüter Igor Akinfejew beinahe unangenehm überrascht hatte. Der Ball sauste knapp am linken Pfosten vorbei.

Viel mehr war da nicht an saudischem Offensivdrang. Die Russen hingegen gewannen mit jeder Minute mehr Spaß am Spiel, und ihr zweites Tor entsprang sogar einem richtig schönen Spielzug. Roman Sobnin trug den Ball nach vorn und legte ihn in den Lauf des gerade für den verletzten Dsagojew eingewechselten Denis Tscheryschew. Gleich drei Saudis stürzten sich in rührender Naivität auf ihn, Tscheryschew ließ sie mit einer Körpertäuschung ins Leere laufen und jagte den Ball hart und humorlos ins linke obere Toreck. Das war kurz vor dem Halbzeitpfiff schon mehr als eine Vorentscheidung. 

Den Saudis gelang nun noch weniger als in der ersten Halbzeit, was gar nicht so einfach war. „Wir haben nicht verloren, weil die Russen so gut waren, sondern weil wir so schlecht waren“ – diese Einschätzung des saudischen Trainers Juan Antonio Pizzi traf es ganz gut. Den Russen war es egal, sie spielten weiter munter nach vorn und schossen noch drei wunderschöne Tore. Das erste durch Artjom Dsjuba perfekt platzierten Kopfball, dann war Tscheryschew ein zweites Mal an, diesmal mit einem elegant gezwirbelten Außenristschuss. Dafür wurde er zum Man oft the Match gewählt und durfte den überraschenden Satz sagen: „Das habe ich mir in meinen Träumen nicht vorzustellen gewagt!“ Ganz zum Schluss gab es auch noch etwas fürs Poesiealbum. Alexander Golowins direkt verwandelter Freistoß zum 5:0 war von einer Qualität, für die sonst einer wie Lionel Messi steht. Wer hätte noch am Mittwoch gedacht, dass die Russen sich am Donnerstag mit so einem Vergleich schmücken dürfen. 

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