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Sport: Erste Hilfe

Durch die Unterstützung der Fans findet Robert Huth den Weg aus der Krise

Wenn es in dieser Geschwindigkeit weitergeht, wird es wohl irgendwann auch Wolfgang Hochfellner erwischen. Das Signal, das am Samstag aus dem Stadion zu Köln-Müngersdorf in die Welt ging, war ja auch: Jeder kann zum Publikumsliebling werden. Am Samstag, beim 3:0 der deutschen Nationalmannschaft gegen Tunesien, hat es den massigen Innenverteidiger Robert Huth getroffen. Warum also nicht eines Tages Wolfgang Hochfellner, den Busfahrer der Nationalmannschaft? Der erledigt seinen Job schließlich auch mit Leidenschaft und Akkuratesse.

Der deutsche Fußball erlebt zurzeit eine Inflation an Publikumslieblingen, und die Auswahlkriterien gelten bis auf weiteres als diffus. Gut, Michael Ballack ist der einzige heimische Fußballer von Weltformat. Oliver Kahn zehrt noch von alten, titanischen Heldentaten, und Schweini & Poldi sind eben Schweini & Poldi, das kultigste Paar des deutschen Fußballs seit Tip & Tap, den WM-Maskottchen von 1974. Aber Huth? Auf so kuriose Weise wie er ist noch niemand zum Helden aufgestiegen: Robert Huth, man muss es leider so deutlich sagen, ist Publikumsliebling aus Mitleid geworden.

Mitte der ersten Halbzeit begann es, dass die Kölner Zuschauer jede Aktion des Verteidigers mit „Huuuuuuth“-Rufen begleiteten. „Das Publikum hat ein gutes Gespür gezeigt“, sagte Bundestrainer Jürgen Klinsmann. Huth war nach den drei Gegentoren gegen Australien auf das heftigste angefeindet worden. Die mediale Kritik hatte sich fast ausschließlich auf den Verteidiger des FC Chelsea fokussiert, und gegen Tunesien sah es zunächst so aus, als wollte Huth seine Kritiker nachträglich bestätigen. In der neunten Minute ermöglichte er den Tunesiern mit einem Stellungsfehler die erste Chance, zehn Minuten später verlor Huth das Laufduell gegen seinen Gegenspieler Ziad Jaziri. Danach schritt das Publikum ein und leistete erfolgreich erste Hilfe.

„Es war toll zu sehen, wie Robert ganz sachlich sein Spiel gesucht hat“, sagte Klinsmann. Dieses Spiel lebt von der Physis, doch Mut und Übermut liegen bei Huth dicht beieinander. Umso bemerkenswerter war es, dass er gerade in dieser kniffligen Situation das richtige Maß fand: Huth kämpfte sich zurück ins Spiel, und die Interaktion mit dem Publikum hat ihm dabei offensichtlich geholfen. „Es hat mir gut getan“, sagte Huth.

Mike Hanke, der Torschütze zum 3:0, bescheinigte dem Kollegen aus der Abwehr ein sehr gutes Spiel, „das war ja nicht normal nach der Kritik“. Und Jürgen Klinsmann wertete die Erfahrung, die Huth in seinen Länderspielen sieben und acht gemacht hatte, als „sehr wichtig für seine Entwicklung: Dass er sich durchboxt, dass er sich hochzieht“. Der Bundestrainer hatte einigen Anteil an dieser Entwicklung: Vor dem Spiel gegen Tunesien bat er Huth zur Privataudienz, um seinen Auftritt gegen Australien noch einmal zu analysieren. Viel wichtiger aber war, dass Klinsmann dem 20-Jährigen die Möglichkeit zur sofortigen Rehabilitation verschaffte.

Für das Binnenklima in der Nationalmannschaft wäre es fatal gewesen, wenn Klinsmann den Forderungen der Medien gefolgt wäre und Huth auf die Bank gesetzt hätte. Immer wieder hat der Bundestrainer gesagt, dass die jungen Spieler Fehler machen dürften, und jetzt endlich konnte er zeigen, dass er solche Aussagen ernst meint. Thomas Hitzlsperger fand es „ein schönes Zeichen“, dass Huth spielen durfte und vom Publikum unterstützt wurde. „Ich hoffe, dass es so weitergeht.“ Hitzlsperger war als linker Außenverteidiger auch lange Nutznießer von Klinsmanns Schutzprogramm. Gegen Tunesien aber spielte er in der ersten Halbzeit derart viele Fehlpässe, dass Klinsmann gar nicht anders konnte, als ihn auszuwechseln. Dafür hat Thomas Hitzlsperger jetzt gute Chancen, der nächste Liebling des deutschen Publikums zu werden.

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