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Sport: "Es geht wieder aufwärts"

Der Vorsatz steht und wird mit fester Stimme vorgetragen: "Weihnachten bin ich wieder zu Hause", sagt Markus Babbel. "Da kann kommen, was will.

Der Vorsatz steht und wird mit fester Stimme vorgetragen: "Weihnachten bin ich wieder zu Hause", sagt Markus Babbel. "Da kann kommen, was will." Dabei ist es der härteste Kampf seines Lebens, den der Fußballnationalspieler zurzeit bestehen muss. Nicht gegen Manchester United oder Arsenal London auf dem Rasen, sondern vom Krankenbett aus gegen das "Guillain-Barré-Syndrom" (GBS). Seit Ende November liegt der Verteidiger des FC Liverpool mit der seltenen Nervenkrankheit im Münchner Krankenhaus Harlaching. Noch in dieser Saison möchte er wieder auf den Fußballplatz - dabei kann er im Moment nicht einmal ohne Hilfe laufen. "Aber zumindest kann ich wieder alleine essen und telefonieren", sagt der 29-Jährige. Tagelang ging das nicht, da seine Arme und Beine teilweise gelähmt waren.

"Dabei hatte alles ganz harmlos begonnen - mit einem tauben Gefühl in den Füßen", erinnert sich Babbel. Das nahm er nicht ernst, wollte er doch unbedingt zurück in die Premier League: Drei Monate lang hatte ihn das Pfeiffersche Drüsenfieber mattgesetzt, Babbel brannte auf sein Comeback. Schließlich war Liverpool Tabellenführer, weit vor dem Erzrivalen aus Manchester. Mitte November gaben die Ärzte grünes Licht: Das Fiebervirus war besiegt. Doch nach einigen Einheiten auf dem Trimmrad und im Kraftraum folgte der neue Schock: "Ich konnte plötzlich die Beine nicht mehr heben, um die Treppe hinaufzugehen."

Zur Untersuchung flog er aus England nach München - auf Anraten seines Teamkollegen Dietmar Hamann. Als Hamann 1997 nach einem Schwächeanfall mit Durchblutungsstörungen und Lähmungen in den Beinen nach Harlaching kam, pflegten ihn die selben Ärzte gesund, die sich jetzt um Babbel kümmern. Doch haben sie es bei ihm mit einer anderen Krankheit zu tun: GBS. Für Babbel war das Fachchinesisch, für die Spezialisten ein Alarmsignal: "Das ist eine seltene Nervenentzündung, bei der körpereigene Abwehrzellen die Hüllen der peripheren Nerven zerstören", sagt Maria Deckert-Schmitz, die leitende Oberärztin der Neurologie. "Peripher" heißt, dass Gehirn und Rückenmark verschont bleiben.

Dennoch ist die Krankheit gefährlich, da die Lähmungen die Atemmuskeln betreffen können. Die Folge wäre tödlicher Atemstillstand. Sechs von hundert Patienten sterben daran. Babbel scheint Glück zu haben: "Meine Arme und Beine sind noch taub, aber es geht wieder aufwärts. Im Nachhinein bin ich sogar froh, dass ich GBS direkt nach dem Drüsenfieber bekommen habe. So war ich es noch gewohnt, ohne Fußball zu leben. Hätte ich erst wieder gespielt, wäre der mentale Knacks viel schlimmer gewesen."

Dass er wieder auf den Platz zurückkehrt, bezweifelt Babbel nicht, "doch ist das nicht das Wichtigste". Das sei ihm in den letzten Tagen immer klarer geworden. "Ich habe gelernt, wie wertvoll Gesundheit ist. Für mich zählt jetzt nur eins - die Krankheit endgültig zu besiegen." Das kann jedoch dauern - wie lange, wissen nicht einmal die Ärzte. Deckert-Schmitz bleibt vorsichtig: "Es ist noch nicht abzusehen, ob Babbel wieder vollkommen gesund wird." Ihr optimistisch gemeinter Nachsatz, dass 90 Prozent aller Patienten es schafften, klingt eher zweifelhaft: Heißt es doch, dass jeder Zehnte es nicht packt. "Die geschädigten Nerven müssen sich eben von selbst erneuern. Das Einzige, was vielleicht hilft, ist Krankengymnastik." Anstelle von Zweikampftraining und Meisterschaftsspielen steht die daher jetzt täglich auf Babbels Programm. "Das wird noch verdammt hart, aber ich war schon immer ein Kämpfer und werde auch jetzt 100 Prozent geben - und ich werde es schaffen."

Dabei helfen ihm auch die Fußballkollegen. Sein Liverpooler Trainer Phil Thompson ruft regelmäßig an. "Phil steht hinter mir und hetzt mich nicht. Er sagt, wenn ich in zwei Monaten wiederkomme, sei das gut und wenn es erst in einem Jahr klappt, sei es auch o.k." Auch Mehmet Scholl, Jens Jeremies und Michael Tarnat, seine alten Freunde vom FC Bayern, waren schon zu Besuch. Am wichtigsten ist jedoch Ehefrau Sandra, die täglich vorbeikommt. Geht es nach ihrem Mann, muss sie das höchstens noch zwölfmal tun: Denn dann ist Weihnachten.

Timm Rotter

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