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Sport: „Es ist ein Spiel, kein Krieg“

Wie Sportler beim Muslim-Cup für Toleranz werben

Am Ostbahnhof in Berlin steht ein Bus in eine andere Welt. Kein Linienbus, sagt der Fahrer, damit niemand aus Versehen einsteigt, und schließt die Tür. Drinnen flirren Wörter verschiedener Sprachen. Ein junger Mann sagt, er freue sich schon seit einem Jahr auf diesen Tag. Die Welt, in die der Bus fährt, liegt etwa 15 Kilometer südlich von Berlin und sie existiert nur für diesen einen Tag: Eine Sportveranstaltung, bei der man außer Ehre nichts gewinnen kann und bei der die Sportler nicht die besten sind. Es gehe nicht um Geld oder Siege, sagt der Veranstalter, sondern darum, beisammen zu sein: für etwa 1300 Menschen – nach den Regeln des Islams.

Es regnet und riecht nach Grillanzünder auf dem Gelände. Zur Begrüßung werden Suren aus dem Koran rezitiert: Die Gläubigen seien Brüder, sie sollten Frieden stiften zwischen sich und Allah fürchten, auf dass ihnen Barmherzigkeit erwiesen werde. „Wir sind Muslime und das ist ein Spiel“, ruft der Schiedsrichter in ein Megafon, „kein Krieg!“ Alle klatschen – faires Spiel sei die Pflicht eines jeden Gläubigen, genau wie den Müll am Abend wieder mitzunehmen, sagt er.

Immer am 1. Mai veranstaltet die Organisation Islamic Relief zusammen mit der Initiative Berliner Muslime, einem Zusammenschluss Berliner Moscheen, den Muslim-Cup. Islamic Relief ist nach eigenen Angaben eine humanitäre Hilfsorganisation. Sie sammelt Spendengelder für Arme, angetrieben von den Worten des Propheten: Almosen geben ist eine der fünf Säulen des Islams. „Das Besondere daran ist, dass hier alle Muslime zusammen sind“, sagt Ismet Misirlioglu, der Organisator von Islamic Relief. Alle Nationalitäten und Strömungen des Islams seien da, das gäbe es bei keiner anderen Veranstaltung in Berlin, sagt der rothaarige Mann.

Die Mannschaft Ahlulbait steht neben dem Platz und wartet, sie ist als nächstes dran. Der Name bedeutet so viel wie „Familie des Propheten“. Die Spieler Isah, 22, und Farrokh, 17, sagen, sie seien wegen der Gemeinschaft hier, nicht wegen des Sports. Das restliche Jahr spielen sie nicht zusammen, sitzen aber oft zusammen und diskutieren über Politik und „die Hetze gegen den Islam“. Farrokh ist Iraner, er sagt, „besonders freue ich mich, dass dieses Jahr auch deutsche Spieler gekommen sind“.

Manchmal, sagt Misirlioglu, überlege er sich, ob er das Sportevent nicht vom restlichen Beisammensein abspalten sollte. Es fördere das „unislamische Verhalten“. Er meint die Gefühlsausbrüche bei Toren oder Fouls, den Drang zur Selbstbehauptung, der im Wettkampf aufkommt. Wenn sie auf dem Feld fluchen, rempeln, die Stimme gegeneinander erheben, dann beginnt Misirlioglu zu zweifeln, ob das mit dem Sport so gut ist. Aber das Spiel sei ja auch das verbindende Element und damit durchaus vereinbar mit dem Islam. Das gilt nicht nur für die Männer. Ein paar Meter abseits vom Treiben halten die Frauen ihr Volleyballturnier ab. Nähert sich ein Mann, wird er per Megafon von der Platzwartin vertrieben. Hier ist ihr Reich. Vier Teams mit jeweils sechs Frauen treten gegeneinander an. Sie tragen knöchellange Gewänder, die Kopftücher sind eng anliegend.

„Früher dachte ich immer, das sind alles Verbrecher“, sagt Peter Ratzke, 51 Jahre alt, aus Marienfelde, der etwas weiter einen türkischen Tee trinkt. Und dass er fand, Ausländer sollten alle raus aus Deutschland, das sagt er auch. Aber er wollte es genauer wissen, fuhr in die Türkei und entdeckte dort zur eigenen Überraschung, dass er „dieses Volk mag“. „Schade“, sagt er, „dass es so wenige Deutsche gibt, die sich das hier einmal genauer ansehen.“ Dann steigt er ans Steuer seines Busses, kein normaler Bus, sagt er grinsend, der Shuttlebus zurück nach Berlin.

Katrin Zeug[Grünheide]

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