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SC Magdeburg - TUSEM Essen

© dpa

Essens Insolvenz: Handball-Bundesliga droht Farce

Der insolvente Klub TuSEM Essen spielt weiter, um kommende Saison wenigstens in der 2. Liga zu starten. Doch konkurrenzfähig dürfte der Kader nicht mehr lange sein, die besten Spieler werden wohl gehen.

Vor einem halben Jahr demonstrierte Frank Bohmann im Falle TuSEM Essens noch Lässigkeit. „Ich bin da ganz entspannt“, sagte der Geschäftsführer der Deutschen Handball-Bundesliga (HBL), „ich erwarte da kein Unglück.“ Damals betrug die „Deckungslücke“ rund eine halbe Million Euro. Inzwischen ist das Unglück da, und die Entspanntheit ist purem Entsetzen gewichen. Denn der dreimalige Deutsche Meister aus dem Ruhrpott, der trotz des hohen Schuldenstandes im Mai die Lizenz für die Saison 2008/09 erhielt, hat in der vergangenen Woche Insolvenz beantragt und steht damit als erster Absteiger fest. Eine „unbefriedigende Situation“, räumt Bohmann ein.

Nun droht der Bundesliga eine Wettbewerbsverzerrung: Da die HBL dem TuSEM die Lizenz für die laufende Saison nicht entziehen kann, der Klub aber den Spielbetrieb bis Saisonende durchziehen muss, um im Sommer 2009 wenigstens in der 2. Liga zu starten, wird TuSEM die restlichen 24 Ligaspiele wohl bestreiten. Und zwar, da die besten Spieler nicht gehalten werden können, ohne konkurrenzfähiges Team. Da ändert auch nichts das beachtliche 30:32 zuletzt beim VfL Gummersbach daran, TuSEM wird wohl weitere Stützen verlieren. Der Imageverlust für die Liga ist derzeit schon beträchtlich.

Nach Nordhorn kam  die Steuerfahndung, Magdeburg zahlte Schwarzgeld

Selbstredend hat Bohmann, der gleichzeitig als Mitglied des dreiköpfigen HBL-Lizensierungsausschusses fungiert, eine Erklärung parat. Man könne die Lizenzvergabe „immer nur auf Grundlage der Unterlagen fällen, die uns vorgelegt werden“, verteidigt er sich. „Wenn uns jemand etwas verheimlicht, sind wir machtlos.“ Andererseits gerät er nun, da das Dilemma offensichtlich ist und die Fälle sich mehren, in Erklärungsnot. Schließlich ist es erst ein paar Wochen her, dass beim Europapokalsieger HSG Nordhorn die Steuerfahndung auftauchte; den Niedersachsen wird die Zahlung von Schwarzgeldern vorgeworfen. Der Traditionsverein SC Magdeburg muss, weil er Schwarzgeld an seine Profis zahlte, dem Finanzamt fast eine Million Euro nachzahlen. Massive Liquiditätsprobleme gab es kürzlich auch in Gummersbach und in Stralsund. Die Frage lautet: Wie kann das sein nach der glorreichen WM im eigenen Lande?

Der Marktwert für die deutschen Stars ist explodiert - ein Problem für die kleinen Klubs

Die Gründe sind vielschichtig. Im Falle Essens liegt zweifelsfrei Missmanagement vor. In Magdeburg kümmert sich der Staatsanwalt um die Dinge. Gummersbach schließlich kämpft mit dramatisch schlechten Zuschauerzahlen. Grundsätzlich aber hatten, so paradox es klingt, insbesondere die kleineren Klubs mit der Konjunktur nach der WM zu kämpfen: Danach ist der Marktwert für die besten deutschen Handballer explodiert. Ein herausragender Mann wie der Nordhorner Holger Glandorf kann nun bei einem Wechsel rund 600 000 Euro brutto Jahresgehalt verlangen. Wirtschaftlich potente Klubs wie Kiel, die Rhein Neckar-Löwen, Hamburg oder Lemgo können sich das leisten, bringen aber damit die Konkurrenz in Zugzwang: Wenn diese sportlich mithalten will, wirtschaftlich das aber nicht stemmen kann, entsteht eine Blase.

Im Kern der Debatte steht nun das Lizenzierungsverfahren der Bundesliga – kein Wunder, wenn ein Klub wie Essen bei einem Jahresetat von gut zwei Millionen Euro nun 1,5 Millionen Euro Schulden aufweist. Das aktuelle Verfahren, das auf Testaten von Wirtschaftsprüfern beruht, sei so wirksam wie die Dopingkontrollen im Radsport, diesen Vergleich zog der Spielerberater und Experte Wolfgang Gütschow. Sein Vorschlag lautet, die HBL solle die Zahlung der Gehälter, die meist den größten Etatposten darstellen, regelmäßig überprüfen. Im Raum steht ebenfalls die Forderung, die Lizenz nur im Falle umfassender Bürgschaften zu erteilen. Klar ist, dass Reformen nötig sind.

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