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© dpa

Europa League: Hertha international

Ablenkung vom Bundesliga-Alltag: Beim lettischen Klub Ventspils schlägt den Berlinern das entgegen, was im eigenen Land fehlt: Respekt.

Der vorweihnachtliche Schnee fällt auch in Riga recht wässrig aus. Strömender Regen empfing Hertha BSC am Mittwoch, als die Mannschaft zwecks europäisch angehauchter Ablenkung vom Bundesliga-Alltag in Lettland landete. Die Allegorien liegen nahe, mit weinendem Himmel und so weiter, was ein Stück weit wegführt von der Chance, die sich den Berlinern am späten Donnerstagabend bietet. Sollte Hertha BSC das Europa-League-Spiel bei FK Ventspils gewinnen und zur selben Zeit Sporting Lissabon daheim gegen den SC Heerenveen siegen, würde das den Einzug in die nächste Runde bedeuten, mit potenziellen Play-off-Spielen gegen den FC Barcelona (unwahrscheinlich), AC Mailand (schon wahrscheinlicher) oder den FC Liverpool (gut möglich).

In der heimischen Liga ist Hertha eine Lachnummer, im internationalen Maßstab aber eine geachtete Größe. Das klingt seltsam und erfährt doch Bestätigung, wenn man sich in Erinnerung ruft, wie beleidigt Ventspils’ Trainer Nuncio Zavettieri in Berlin auf die vermeintliche Missachtung seiner Mannschaft reagierte. Ventspils muss in der Europa League wegen der bescheidenen Kapazität des heimischen Stadions in die Hauptstadt ausweichen.

Was soll, was wird werden mit Hertha BSC in Lettland? Verteidiger Arne Friedrich wird wegen eines Leistenwehwehchens nicht mitspielen können (am nächsten Sonntag in Schalke ist er eh gesperrt), Pal Dardai ist immer noch verletzt, und ob Artur Wichniarek spielt oder nicht, ist in Riga anders als in Berlin ohnehin von wenig Belang.

Es ist keinesfalls verletzend gemeint, wenn man behauptet, dass Herthas Gastspiel in Lettland selbst dort keine, pardon!, Sau interessiert. In den lettischen Zeitungen finden sich weniger Bemerkungen über das Euro-League-Spiel denn über das schlechte Wetter. Für die Berliner geht es um einiges: Hertha BSC ist mit 33 Millionen Euro verschuldet, der Einzug in die nächste europäische Runde würde laut Geschäftsführer Ingo Schiller eine Million Euro bringen, gutes Geld, das Hertha nur zu gerne für winterliche Verstärkungen investieren würde. Trainer Friedhelm Funkel und Manager Michael Preetz würden wohl gern darauf anstoßen nach dem Spiel gegen Ventspils, mit einem – nun gut, der Witz ist oft gerissen worden, aber er passt eben nur in diesem Spiel, sie würden also gerne anstoßen mit einem: Advents-Pils.

Friedhelm Funkel sagt, dass „die Bundesliga für uns natürlich Priorität hat, aber natürlich wollen wir diese Chance nutzen“. Vor der Reise in den Osten Europas hat Funkel die Spieler in ein Literaturcafé eingeladen. Zweck der Demonstration war, dass auch die Herren Profis erkennen, dass es noch etwas anderes gibt als Fußball. Um dadurch zu erkennen, dass die nette Zweitbeschäftigung doch bitte derart ausgefüllt wird, dass am Ende mit Fußball etwas anderes erreicht werden kann.

Für Ventspils geht es um mehr. Um die Gnade des Augenblicks, um die Bestätigung, auf europäischer Ebene wahrgenommen zu werden. Als der FK Ventspils vor ein paar Wochen zur Inauguration der Europa League in Berlin gastierte, klagte dessen italienischer Trainer Nuncio Zavettieri bitter über den vermeintlich fehlenden Respekt in der großen weiten Fußballwelt. Der FK Ventspils hatte in den Berliner Zeitungen eine eher untergeordnete Rolle gespielt. Man darf wohl sagen, dass die lettische Fußballkunst vor allem darin besteht, wenig bis gar keine Gegentore zuzulassen. Immerhin darin bringt es der FK Ventspils zu einiger Meisterschaft: Vor vier Wochen trotzte man Sporting in Lissabon ein 1:1 ab.

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