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Raffael, 28, spielte von 2008 bis 2012 für Hertha BSC. Nach dem zweiten Abstieg verließ er den Klub und wechselte zu Dynamo Kiew in die Ukraine. Über die Zwischenstation Schalke 04 kam der Brasilianer zu seinem aktuellen Arbeitgeber Borussia Mönchengladbach. In 172 Bundesliga-Spielen erzielte er 40 Tore.

© dpa

Ex-Herthaner Raffael im Interview: "Mein Bruder ist eindeutig der bessere"

Gladbachs Raffael im Gespräch mit dem Tagesspiegel über das erste Duell mit Ronny am Samstag bei Hertha BSC, Lucien Favre und die besten Spieler der Liga.

Raffael, wenn wir Ihren Bruder Ronny fragen würden, wer denn der beste Fußballspieler in der Familie ist...
... dann würde er bestimmt sagen, dass ich es bin. So hat er das bisher jedenfalls immer gemacht.

Und? Hat er recht?

Nein, überhaupt nicht. Ich widerspreche meinem Bruder ja ungern, aber er ist eindeutig der bessere von uns beiden. Schauen Sie ihn sich doch mal an: Seine Ballbehandlung, seine Schusstechnik, haben Sie sein Freistoßtor in Hannover gesehen? Unglaublich! Von seinen Anlagen her ist Ronny der beste Fußballer, mit dem ich in meiner Karriere je zusammengespielt habe.

Am kommenden Samstag wird im Olympiastadion zu beobachten sein, wer von Ihnen beiden recht hat. Sie treten mit Borussia Mönchengladbach bei Ronny und Hertha BSC an. Wie steht es denn bisher in den familieninternen Duellen?

Sie werden lachen, aber dieses Spiel am Samstag ist für uns beide eine Premiere. Wir haben noch nie gegeneinander gespielt. Höchstens mal früher als Kinder, am Strand von Fortaleza. Das ist schon eine komische Situation für mich. Ich liebe meinen Bruder, ich mag auch Berlin, und zu Hertha habe ich auch ein sehr gutes Verhältnis.

Sie haben in viereinhalb Jahren 33 Tore für Hertha BSC geschossen und sind dann nach dem zweiten Abstieg im Sommer 2012 zu Dynamo Kiew gewechselt, für eine Ablöse von zehn Millionen Euro. Wahrscheinlich haben Sie Hertha damit den Neustart auf einem relativ hohen Niveau überhaupt erst ermöglicht.

Ja, das war ein schöner Nebeneffekt. Hertha brauchte Geld, und ich wollte nicht noch einmal in der Zweiten Liga spielen. Deswegen machte dieser Transfer für beide Seiten Sinn.

Gab es damals auch andere Angebote?

Ich hätte nach Italien wechseln können, zum SSC Neapel. Und es gab ein Angebot aus Katar, aber dafür fühlte ich mich noch zu jung. Kiew war eine Herausforderung, und ich hatte die Möglichkeit, in der Champions League zu spielen. Also habe ich die Herausforderung angenommen.

Nach nur einem Tor in neun Spielen sind Sie Anfang dieses Jahres regelrecht aus der Ukraine geflüchtet. Was hat nicht gepasst?

Sagen wir so: Es war ein Missverständnis, sportlich und privat. Es war schwer in einem neuen Land mit einer neuen Sprache. Die Ukraine ist nun mal sehr anders als Deutschland. Dazu kommt, dass in der Liga nur Kiew und Donezk auf hohem Niveau spielen, dazu vielleicht noch Dnjepropetrowsk. Das ist kein Wettbewerb, wie ich ihn aus der Bundesliga gewohnt war.

Im Januar hat Schalke 04 Sie zunächst für ein halbes Jahr ausgeliehen. Stimmt es, dass Sie schon damals lieber nach Mönchengladbach zu Ihrem alten Mentor Lucien Favre gewechselt wären?

Ich wollte vor allem zurück in die Bundesliga. Es gab auch eine Anfrage von ZSKA Moskau, aber da wäre der Unterschied zu Kiew wohl nicht so groß gewesen. Alles Weitere haben die Klubs unter sich geregelt.

Schalke hätte Sie nach diesem ersten halben Jahr gern dauerhaft verpflichtet.

Auch ich wäre ganz gern geblieben. Wir sind Vierter geworden mit einer realistischen Möglichkeit, uns für die Champions League zu qualifizieren. Sportlich war das sehr attraktiv, und es hat Spaß gemacht, mit Leuten wie Julian Draxler und Jefferson Farfan zusammenzuspielen. Aber jetzt ist es Gladbach geworden, und damit bin ich sehr, sehr zufrieden.

"Favre ist ein Perfektionist"

War es eine Option, in Kiew zu bleiben?

Natürlich. Mein Vertrag lief ja noch bis 2016. Ich bin im Sommer heim nach Brasilien geflogen und habe von dort erst einmal meinen Agenten angerufen: Sieh bitte zu, dass du mich in der Bundesliga unterbringst! Ich will auf keinen Fall wieder zurück in die Ukraine!

In Mönchengladbach arbeiten Sie jetzt nach Stationen in Zürich und Berlin zum dritten Mal mit Lucien Favre zusammen. Was ist das Besondere an ihm?

Er ist im positiven Sinne des Wortes ein Perfektionist. Seine Mannschaften sind immer hervorragend eingestellt, und jeder Spieler weiß genau, was er zu tun hat. Ich habe für Schalke in der vergangenen Saison 16 Spiele gemacht, und das schwerste war gegen Mönchengladbach. Wir haben 1:0 gewonnen, durch ein Tor von Julian Draxler, das ich vorbereitet habe. Aber es war wirklich wahnsinnig schwer.

Sie sind sehr gut gestartet und stehen nach acht Spielen auf Platz vier. Was ist drin in dieser Saison für Borussia Mönchengladbach?

Machen wir uns nichts vor: Ganz oben stehen Bayern und Dortmund, die beiden sehe ich auf demselben Niveau. Ein gutes Stück dahinter kommt Leverkusen und dann kämpfen mehrere Mannschaften um einen Platz im internationalen Geschäft. Wenn alles gut läuft, können auch wir dazu gehören. Wir haben eine sehr talentierte Mannschaft mit vielen jungen Spielern, aber es kann schon noch ein bisschen dauern, bis wir dieses Potenzial auch voll ausschöpfen.

Sie kennen die Bundesliga seit 2008. Was hat sich seitdem verändert?

Der Fußball hier ist noch besser und schneller geworden. Dante und Luiz Gustavo sind als junge und unbekannte Spieler in die Bundesliga gekommen und haben es in die brasilianische Nationalmannschaft geschafft. So etwas wäre vor ein paar Jahren nicht möglich gewesen. Es gibt hier großartige Individualisten, der beste ist für mich Franck Ribéry, gleich danach kommt Marco Reus. Schade, dass der nicht mehr in Gladbach spielt. Und schauen Sie sich an, was für eine gute Rolle Hertha als Aufsteiger spielt. Auch das spricht für die Qualität der Liga.

Haben Sie Hertha in jüngster Zeit mal gesehen?

Sogar öfter, aber nur im Fernsehen, zuletzt beim Spiel in Hannover. Ich habe aus meiner Zeit in Berlin noch viele Freunde. Mit Adrian Ramos telefoniere ich öfter und mit meinem Bruder fast täglich.

Zum Abschluss noch die obligatorische Frage: Wer gewinnt am Samstag?

Muss ich jetzt eine ehrliche Antwort geben? Natürlich muss ich das. Also: Tut mir leid, mein lieber Bruder, aber wir gewinnen. Und so sehr ich Hertha auch mag: Ich würde schon sehr gern ein Tor schießen!

Das Gespräch führte Sven Goldmann.

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