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Alex Thomson am Bug seiner neuen "Hugo Boss", dem Silberpfeil unter den 20 Open-60-Booten.

© Christophe Launay

Extremsegel-Regatta Vendée Globe: Der einsame Kampf auf dem Meer

Kaum eine sportliche Herausforderung verlangt einzelnen Menschen körperlich und psychisch so viel ab wie das Vendée-Globe-Rennen, eine Hochseeregatta um die Welt. Am Samstag startet die siebte Auflage.

Es gib bei diesem Rennen um die Welt zwei Regeln. Erstens: Es gewinnt, wer zum ersten Mal dabei ist. Und zweitens: Vorausgesetzt, es ist ein Franzose. Die erste Regel erklärt sich von selbst. Man muss schon ziemlich unbedarft sein, um seine natürlichen Instinkte so brutal zu unterdrücken, wie es bei diesem drei Monate langen Hochseetrip um den Erdball nötig ist. Kaltblütig und gleichzeitig voller Leichtsinn – anders geht es nicht, sich den schlingernden Bewegungen einer in Höchstgeschwindigkeit und mit ohrenbetäubendem Lärm durchs Meer pflügenden Rennjacht anzuvertrauen. Der Gedanke, wie viel da auch schief laufen könnte, er darf sich nicht einstellen. Da ist es besser, man weiß nicht ganz so genau, was einem bevorsteht.

Kaum eine sportliche Herausforderung verlangt einzelnen Menschen körperlich und psychisch so viel ab wie das Vendée-Globe-Rennen, das alle vier Jahre in Les Sables d’Olonne an der französischen Atlantikküste startet. Am Samstag ist es wieder so weit (der Start live unter: www.vendeeglobe.org). 20 Solosegler haben diesmal die Qualifikation geschafft und Sponsoren gefunden, die ihnen die etwa vier Millionen Euro teuren Rennmaschinen finanzieren. Es sind beeindruckend effiziente Boote, konstruiert für die Vorwindkurse im Südpolarmeer, wo sie die Wellen wie Surfbretter hinabgleiten. Und mit 18 Metern sind sie gerade noch so groß, dass ein Einzelner sie bedienen kann.

Denn die Extremsegler werden jeder für sich wochenlang auf diesen Booten der Klasse Open 60 isoliert sein, der Kurs führt einmal nonstop um die Antarktis herum durch die stürmischsten Breiten des Globus, wo Eisberge den Weg kreuzen und Hilfe zu weit entfernt ist, um sie in Anspruch nehmen zu können. Wer Bootsschäden nicht selbst reparieren kann und einen Hafen ansteuern muss, wird disqualifiziert. Mit der Ankunft des Schnellsten wird nach etwa 85 Tagen gerechnet. Etwas weniger hatte 2008 Michel Desjoyeaux mit seiner Jacht „Foncia“ benötigt.

Desjoyeaux konnte das Rennen damit zum zweiten Mal gewinnen. Dass er nach seinem früheren Triumph (2000) überhaupt noch einmal die Strapazen des Vendée Globe auf sich nahm, war schon außergewöhnlich genug. Nur jene versuchen es eigentlich immer wieder, die nicht gewinnen. Bei dieser siebten Auflage besteht das Teilnehmerfeld fast ausschließlich aus solchen notorischen Wiederholungstätern. Das Vendée Globe zieht sie magisch an.

An Grenzen bringt der Ozeanmarathon jeden

Hart am Wind. Bernard Stamm ist mit 49 Jahren der Altmeister beim diesjährigen Vendée Globe. Es braucht ein bisschen jugendlichen Leichtsinn, um es zu gewinnen.
Hart am Wind. Bernard Stamm ist mit 49 Jahren der Altmeister beim diesjährigen Vendée Globe. Es braucht ein bisschen jugendlichen Leichtsinn, um es zu gewinnen.

© AFP

Alex Thomson, der verwegene Brite, unterstützt vom deutschen Modeunternehmen Hugo Boss, ist zum dritten Mal dabei. Nie hat er es geschafft diese Tour de Monde zu vollenden. Im Südatlantik musste er sein Boot aufgeben, vor Les Sables d’Olonne kollidierte er mit einem Fischerboot. Thomson wird abermals als Favorit gehandelt. Sein die Farben des Wassers elegant spiegelnder „Silberpfeil“ ist in der Tat ein beeindruckendes Gefährt, wenn auch bereits 2007 gebaut. Allerdings neigt der 38-jährige bullige Skipper dazu, so schonungslos mit seinem Material umzugehen, dass er zwar mehrere Streckenrekorde hält, ein großes Rennen aber noch nie gewonnen hat. Immer beendete Bruch seine Ambition.

Zwei andere dieser Ozeanpiloten haben ihm diesen Erfolg voraus. Abermals setzt sich Vincent Riou, Vendée-Globe- Sieger von 2004 und wegen seiner vielen Triumphe „der Schreckliche“ genannt, den Strapazen aus. Der 40-jährige Bretone hat einen Neubau zur Verfügung und die Prolog-Regatten gewonnen. Und dann will es auch Bernard Stamm, ein 49-jähriger Schweizer, noch einmal mit einem nagelneuen Open 60 von Stardesigner Juan Kouyoumdjian wissen. In Stamms Bilanz stehen zwei Siege bei vergleichbaren Weltrennen.

Aus den Exoten und Abenteurern früherer Jahre, die Seegras aßen, um nicht zu verhungern, und nur gelegentlich mal ein Lebenszeichen von sich gaben, sind längst Profiskipper mit Multimediaanschluss geworden. Täglich unterhalten sie ihr Publikum mit spaßigen Bordreportagen. Dass die Zahl werftneuer Schiffe abnimmt, zeigt jedoch, dass der französische Markt, der diesen 1989 initiierten Hochseemythos am Leben hält, nicht mehr ganz so euphorisch an dem Bild des verwegenen Einzelkämpfers interessiert ist.

Unter den Neubauten ist auch die „Macif“ von Francois Gabart. Der 29-jährige Franzose ist ein Newcomer, trotzdem mit dem Budget eines Versicherungskonzerns ausgestattet. Der Blondschopf hat die besten Voraussetzungen, als studierter Ingenieur sucht er akribisch nach technischen Verbesserungen, und gleichzeitig bringt er die Leidenschaft für die physische Verausgabung mit.

An Grenzen bringt der Ozeanmarathon jeden. Da ist das Schlafdefizit, weil das Boot nicht länger als 20 Minuten sich selbst überlassen werden kann. Da ist der akustische Stress in dem unverkleideten, dröhnenden Karbonrumpf, der mit bis zu 30 Knoten (rund 56 km/h) durch die Wellen donnert. Das Boot schlingert und hüpft, dass ein wenig Rast nur in dem aerodynamischen Rennsessel möglich ist, von dem aus die Segler am Computer die Wettervorhersagen verfolgen und ihre Kurse planen. Da ist die eingeschweißte Trockennahrung und die Wasserentsalzungsanlage, von der das Überleben abhängt. Da sind halsbrecherische Kletteraktionen in den 30 Meter hohen Mast, und vor allem die Wankelmütigkeit der See selbst. Das Preisgeld von 160000 bietet dafür keinen Anreiz.

Eine Frau hat beim Vendée Globe noch nie gewonnen. Ellen MacArthur war einmal nahe dran, als sie hinter Desjoyeaux zweite wurde. Eine bessere Platzierung ist einem Nicht-Franzosen nie gelungen, womit die Britin die Regel Zwei aber dann doch nur bestätigt. Ob Samantha Davies als einzige Frau im aktuellen Teilnehmerfeld dieselbe Willenskraft aufbringt, um vorne mitzusegeln, ist fraglich. Aber schon 2008 wurde sie mit ihren verspielten Videobotschaften von Bord zum Publikumsliebling.

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