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Zart, aber schlau. Der wiedergenesene Fabian Lustenberger hat den Blick für das taktisch anspruchsvolle Spiel.

© Fotoagentur Engler

Fabian Lustenberger: Herthas defensiver Spielmacher

Herthas Mittelfeldmann Fabian Lustenberger kehrt zurück – auf ungewohnter Position: Gegen 1860 München soll der Schweizer Fußballprofi als Verteidiger auflaufen.

Berlin - Am Montag ist Fabian Lustenberger ein bisschen später nach Hause gekommen. Nicht mitten in der Nacht, aber doch so spät, dass es nur noch für ein paar Minuten gereicht hat zur Begutachtung des Fußballspiels SpVgg Greuther Fürth – 1860 München, live im Abendprogramm. „Ich schau mir schon auch mal die Zweite Liga im Fernsehen an“, sagt Lustenberger, „aber ich stelle mir nicht gleich den Wecker danach.“

Es hat diese finale Viertelstunde auf der Wohnzimmercouch immerhin gereicht, die raren Angriffsbemühungen der Münchner Stürmer zu studieren. Das ist insofern gut, weil es der Schweizer Profi in Diensten von Hertha BSC heute Mittag wahrscheinlich mit eben jenen Münchner Stürmern zu tun bekommen wird. Denn Fabian Lustenberger wird heute mit einiger Sicherheit sein Debüt in der Zweiten Liga geben. Und zwar nicht auf seiner angestammten Position als defensiver Mittelfeldspieler, sondern in der Innenverteidigung. Lustenberger sagt: „Wenn ich es mir malen könnte, würde ich mich im Mittelfeld aufstellen, ich hab ja noch nie hinten gespielt“, aber natürlich traut er sich den Job zu, „an der Seite von Roman Hubnik wäre das kein Problem, er ist ein erfahrener Mann, mit ihm könnte ich schon gut zusammenspielen.“

Es wird ihm und Trainer Markus Babbel wohl nichts anderes übrig bleiben. Sebastian Neumann ist wegen einer Innenbanddehnung im Knöchel nicht einsatzfähig, Andre Mijatovic befindet sich nach auskurierter Schienbeinverletzung im Aufbautraining, und auf den Brasilianer Kaka würde Babbel wohl auch dann verzichten, wenn er sich nicht gerade einer Fingeroperation unterziehen müsste. Bleibt nur noch der eher zartgliedrige Fabian Lustenberger, der für das robuste Abwehrgeschäft eigentlich nicht geschaffen scheint. Für seinen Einsatz spricht, neben allen personellen Nöten, ein anderes Argument: Er ist verdammt schlau.

Lucien Favre, Trainer von Herthas Fast-Meistermannschaft von 2009, hat Lustenberger mal als „unseren taktisch besten Spieler“ bezeichnet. Unter Favres Nachfolger Friedhelm Funkel zählte er in der Rückrunde der vergangenen Abstiegssaison zu den wenigen positiven Erscheinungen. „Fabian spielt sehr schlau und antizipiert sehr gut“, befand Funkel. Und auch Markus Babbel hatte Lustenberger zu Beginn dieser Saison fest als Stammspieler eingeplant. Es kam, wieder mal, eine Verletzung dazwischen. Nach zwei Ermüdungsbrüchen im Mittelfuß war es diesmal ein Schienbeinkantensyndrom, pünktlich vor dem ersten Pflichtspiel.

Lustenberger hat hart an seinem Comeback gearbeitet. In der Reha, im Kraftraum und auch im Auto. Das war vor zwei Wochen, Hertha spielte abends in Osnabrück, und Fabian Lustenberger wartete auf der Ersatzbank vergeblich auf seine Einwechslung. Nach dem Spiel, es ging 0:2 verloren, machte er sich gemeinsam mit Christoph Janker auf den Weg nach Lübeck, wo am nächsten Tag die zweite Mannschaft anzutreten hatte. „Wir sind mitten in der Nacht angekommen, so gegen halb drei“, aber es hat sich gelohnt. Nach ein paar Stunden Schlaf stand er um 14 Uhr schon wieder auf dem Platz und zeigte ansprechende 65 Minuten lang, dass wieder mit ihm zu rechnen ist. Lustenberger war so gut, dass Lübecks Trainer von Wettbewerbsverzerrung sprach und dass so einer doch nicht bei den Amateuren mitspielen dürfe.

„Das war ein wichtiger Moment für mich“, sagt Lustenberger, „ich habe gemerkt, dass ich wieder die nötige Fitness habe und keine Schmerzen mehr spüre.“ Dieses Wissen ist wichtig für einen, der seine Stärke vor allem aus seiner Spielintelligenz bezieht. Wie kein Zweiter bei Hertha beherrscht er die Kunst des gedankenschnellen Umschaltens von Abwehr auf Angriff. Wo andere noch überlegen oder um Ballkontrolle bemüht sind, hat Lustenberger längst den öffnenden Pass gespielt. Es ist diese Fähigkeit, die ihn trotz seiner zarten Statur für die Position im Abwehrzentrum prädestiniert. Im modernen Fußball ist ein Innenverteidiger nicht mehr auf Köpfen-Grätschen-Rempeln festgelegt, er ist vielmehr nach Balleroberung so etwas wie ein defensiver Spielmacher. Ein zeitgemäßer Innenverteidiger interpretiert seine Aufgabe in etwa so wie früher ein tiefer stehender Sechser, wie der zentrale defensive Mittelfeldspieler im Taktikdeutsch genannt wird.

„Ich glaube schon, dass der Trainer sich genau diese öffnenden Pässe von mir erwartet, wenn er mich denn spielen lässt“, sagt Lustenberger. Babbel war früher selbst Innenverteidiger, er hat ihn im Training auf der ungewohnten Position getestet und ist dabei zu der Erkenntnis gekommen, „dass Fabian das sehr gut kann“. Alle anderen taktischen Experimente, über die er zuletzt mehr oder weniger laut nachgedacht hat, werden in München eher nicht zur Aufführung kommen. Noch immer ist ungewiss, ob der an der Wade verletzte Brasilianer Raffael auflaufen kann und wie Außenverteidiger Christian Lell seinen grippalen Infekt verkraftet hat. In ungewissen Zeiten vertraut man besser auf das Bewährte, sagt Babbel, und zur Auffrischung des zuletzt gegen Duisburg so blutleeren Aufbauspiels kann ja auch Fabian Lustenberger einspringen. Auch wenn er eine Etappe weiter hinten spielt, als defensiver Spielmacher vor dem eigenen Tor.

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