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Sport: Fahrt ins Gelbe

Der umstrittene Radprofi Stefan Schumacher siegt beim Tour-Zeitfahren

Stefan Schumacher ahnte, dass dies eine geglückte Fahrt gewesen war. „Wie liege ich?“, bellte er, noch von der Anstrengung atemlos, seinem Sportdirektor Christian Henn entgegen, während er auf seiner Hochgeschwindigkeits-Rennmaschine an den Mannschaftsbus von Team Gerolsteiner heranrollte. Die Antwort von Henn gefiel dem Radprofi aus Nürtingen. Die Weltmeister Fabian Cancellara und David Millar, die Tour-Favoriten Cadel Evans, Denis Menchov und Alejandro Valverde, sie alle waren bei den Zwischenzeitnahmen des ersten Zeitfahrens der Tour langsamer. Und so blieb es: Schumacher gewann die einsame Prüfung gegen die Uhr, die erste entscheidende Etappe der Frankreich-Runde und durfte eine halbe Stunde später auch noch das Gelbe Trikot überstreifen.

Ein überraschender Sieg, sicher, nicht aber für Schumacher selbst. „Ich habe mich in den letzten Tagen sehr stark gefühlt auf dem Rad“, erklärte er. Deshalb habe er geahnt, dass das Zeitfahren von Cholet ein Erfolg werden könnte.

Schumachers Sieg ist ein Lichtblick für seine Mannschaftsleitung, die verzweifelt nach einem Sponsor sucht. Der Mineralwasserhersteller Gerolsteiner steigt zum Saisonende aus, Team-Direktor Hans Michael Holczer hat bislang noch keinen Ersatz gefunden. In der vergangenen Woche gab Holczer seinen Fahrern bereits grünes Licht, sich neue Arbeitgeber zu suchen. Ob Schumacher dabei auch Erfolg hat, ist fraglich. Seit letztem Herbst ist er nämlich im Gerede. Kurz nach der WM in Stuttgart, wo Schumacher Dritter wurde, fiel der Schwabe nämlich nach einem Verkehrsunfall in angetrunkenem Zustand bei einer Polizeikontrolle auf. In seinem Blut fand man neben Alkohol auch Amphetamine. Schumacher erklärte damals, er wisse nicht, wie die Substanzen in seinen Körper gelangt seien. Auch nach seinem Etappensieg am Dienstag beteuerte er noch einmal, nie Drogen genommen zu haben.

Holczer sah damals keine Möglichkeit, Schumachers Vertrag legal aufzulösen und auch der Verband konnte ihn nicht sperren, da keine positive Dopingprobe vorlag. Ein Nachgeschmack blieb. Noch kurz vor der Tour de France fragte Johan Bruyneel, Direktor des ausgeladenen Teams Astana, laut: „Warum darf Stefan Schumacher starten, wenn wir nicht antreten dürfen? Warum darf Tom Boonen nicht starten, wenn Schumacher starten darf?“ Wie bei Schumacher liegen auch bei Boonen und bei Astana formal keine Dopingfälle vor. Schumacher selbst wollte die Einladungspolitik der Tour-Direktion nicht kommentieren: „Damit habe ich mich nicht beschäftigt.“

Nach nur vier Tagen hat die Tour 2008 bereits ihren zweiten umstritten Anführer: Der erste Gelb-Träger Alejandro Valverde steht im Verdacht, in die „Operacion Puerto“ verwickelt zu sein. Aber wenigstens besteht im Gegensatz zu Valverde bei Schumacher keine Gefahr, dass er auch in Paris ganz vorne liegt. Der 26-Jährige gilt als vergleichsweise schwacher Kletterer.

Sebastian Moll[Cholet]

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