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Sport: Fahrt ins Ungewisse

Das Red-Bull-Team geht beim Doppelsieg in Spa ein gefährliches Risiko ein

Ein paar Rennen lang mussten sich Sebastian Vettel und das Red-Bull-Team vorwerfen lassen, sie würden nicht mehr aggressiv genug zu Werke gehen, würden ihren Vorsprung in der WM-Wertung der Formel 1 nur noch verteidigen wollen. Wie weit entfernt von der Wahrheit diese Theorie ist, hat sich am Wochenende in Spa gezeigt – wenn auch eher unfreiwillig. Vettel und sein Team gingen bei der Reifenwahl hohes Risiko – mit dem Ergebnis, dass es nach dem Rennen zum Krach mit dem Reifenhersteller Pirelli kam. Denn Red-Bull-Technikchef Adrian Newey hatte nach den Sorgen wegen der Blasenbildung an den Vorderreifen, die Vettel und auch Mark Webber teilweise plagten, in einem Interview mit der „BBC“ die Pirelli-Reifen als Sicherheitsrisiko bezeichnet. Was bei dem italienischen Hersteller angesichts der inzwischen ans Licht gekommenen Vorgeschichte für Ärger sorgte.

„Hätte sich Red Bull an unsere Vorgaben gehalten, hätten sie keine Probleme bekommen“, sagte Pirellis Motorsportchef Paul Hembery. Der Reifenhersteller gibt den Teams vor jedem Rennen technische Vorgaben, um optimal zu funktionieren. Dabei geht es unter anderem um Ober- und Untergrenze des Reifendrucks sowie um den sogenannten Sturz, den Neigungswinkel, mit dem der Reifen auf der Strecke aufliegt. Und genau da, beim Sturz, ging Red Bull am Samstag vor dem Qualifying über den Grenzwert hinaus. Um den Gummi schneller und besser auf die nötigen Temperaturen zu bringen. Zunächst mit Erfolg, Sebastian Vettel sicherte sich in der Qualifikation die Poleposition. Doch als man die Reifen anschließend betrachtete, kam der Schreck. „Da fehlten richtig große Stücke auf der Lauffläche und wir wussten nicht, ob sie überhaupt halten würden und nicht platzen", erzählte Sebastian Vettel.

Da das Reglement vorschreibt, dass mit dem Satz aus dem Qualifying auch der Start gefahren werden muss und sich der Weltverband nicht auf eine Ausnahmeregelung einließ, diskutierte man bei Red Bull vor dem Rennen lange: Sollte man Risiko gehen, alles lassen, wie es ist, früh an die Box kommen? Oder auf Nummer sicher gehen, sich einen neuen Satz Reifen geben lassen, aber von hinten aus der Boxengasse starten und wahrscheinlich alle Siegchancen begraben müssen?

Teamchef Christian Horner sagte: „Wir haben Ihnen gesagt: Unserer Meinung nach ist das Risiko eines Defekts minimal. Seid Ihr bereit, das einzugehen?“. Die Fahrer machten mit – allerdings nicht mit großer Begeisterung. „Es war eine Fahrt ins Ungewisse“, sagte Sebastian Vettel nach dem Sieg. „In den Streckenabschnitten Eau Rouge und Blanchimont war immer ein unwohles Gefühl dabei“. Dort waren die Fahrer mit mehr als Tempo 300 unterwegs.

Auch die Teamführung war am Ende heilfroh, dass alles gut gegangen war, dass das Risiko mit einem Doppelsieg und der vergrößerten Doppelführung in Fahrer- und Team-WM belohnt wurde. Technikchef Newey brach bei der Siegerehrung auf dem Podium fast in Tränen aus – ein Zeichen dafür, wie groß die Anspannung angesichts der hohen Verantwortung gewesen war. Paul Hembery war ebenfalls erleichtert, auch wenn er die Verantwortung nicht bei Pirelli sah: „Letztlich müssen wir es den Teams überlassen, was sie tun, wir können sie zu nichts zwingen.“ Martin Whitmarsh, Chef des Red-Bull-Konkurrenten McLaren-Mercedes, merkte vorwurfsvoll an: „So etwas würden wir nicht machen.“

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