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Hoch das Ding! Falcao, zweifacher Torschütze beim Sieg von Atletico. Foto: dpa

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Falcao und die Europa-League: Der persönliche Pokal

Atletico Madrid gewinnt die Europa-League – und niemand verdient den Erfolg so wie Stürmer Falcao.

Der große Fußball kommt nicht so oft nach Rumänien. Wer weiß, wann er mal wieder vorbeischaut, haben sich die Bukarester gedacht und ihre U-Bahnhöfe, auch den an ihrem Nationalstadion, provisorisch umbenannt, mit allem, was so dazu gehört, Leuchttafeln und bunte Farben und Lautsprecherdurchsagen und so. Für ein paar Tage rund um das Finale der Europa League hieß die Station am Stadion nicht Piata Muncii. Sondern, und das spricht für den Fußballverstand der Bukarester… Falcao!

Radamel Falcao Garcia Zarate, wie der Stürmer von Atletico Madrid mit kompletten Namen heißt, hat sich am späten Mittwochabend angemessen für diese Widmung bedankt. Zwei Tore schoss Falcao, es waren die wegweisenden ersten beiden beim 3:0-Sieg gegen Athletic Bilbao. Als guter Katholik hat er beide Tore Gott gewidmet und der Familie, „keine Worte können ausdrücken, was ich heute empfinde“. Falcao kommt aus Kolumbien, und zur Siegerehrung trägt er eine gelb-blau-rote Fahne um die Schultern, was den wenigen rumänischen Zuschauern unter den vielen Spaniern im Stadion ganz gut gefiel, denn Gelb, Blau und Rot sind auch ihre Nationalfarben, nur ein wenig anders angeordnet auf der Fahne.

Was hätten die Bukarester wohl gemacht, wenn Hannover 96 ins Europa-League-Finale eingezogen wäre? Den U-Bahnhof „Schlaudraff“ genannt oder „Schmiedebach“? Egal, Hannover ist im Viertelfinale ausgeschieden gegen Atletico Madrid, woran Señor Falcao nicht ganz unschuldig war, mit jeweils einem Tor in Hin- und Rückspiel. Im vergangenen Jahr hat er schon mit dem FC Porto die Europa League gewonnen und dabei 17 Tore in 14 Spielen erzielt. Aber Porto gilt im internationalen Fußball ähnlich wie die Europa League nicht als die ganz große Nummer, deswegen ist Falcaos Leistung ein wenig untergegangen.

Für Falcao ist die Nacht von Bukarest deshalb auch ein persönlicher Triumph über seine Kritiker. Über all jene, die geschätzt 40 Millionen Euro Ablöse an Porto eine Fehlinvestition genannt und behauptet hatten, nie im Leben werde er zum Nachfolger des nach Mailand abgewanderten Diego Forlan taugen. Schwer zu vergleichen, die beiden. Auch Diego Forlan schießt jede Menge Tore, aber er ist mehr der Stratege in der zweiten Reihe, eine Art gestaltender Torjäger, der seinen Erfolg aus der Etappe sucht. Falcao besetzt die Rolle des traditionellen Stürmers, selten nur sucht er über den Mittelkreis hinaus den Kontakt zu seinen Kollegen in der hinteren Hälfte des Platzes. Es sind seine kurzen Hebel, die für jeden Gegenspieler schwer zu durchschauenden Drehungen und Dribblings, die seine Klasse ausmachen. In Madrid nennen sie ihn den Tiger – immer auf dem Sprung und nur scheinbar teilnahmslos über den Rasen schleichend.

Die beiden Tore des Radamel Falcao Garcia Zarate in Bukarest stehen als Beleg für den Wert des Tigers aus Santa Marta. Beim 1:0 zögerte er sein Dribbling am linken Strafraumeck so lange hinaus, bis die Basken ihm endlich die Lücke anboten, die er mit technisch perfektem Drehschuss nutzte. Und dem zweiten Tor ging eine vollendete Drehung auf engstem Raum voraus, wie sie Gerd Müller in seinen besten Zeiten kaum besser vorgeführt hätte.

Falcaos Trainer Diego Simeone war früher selbst ein Star bei Atletico. Kein Filigrantechniker, eher ein Mann für handfeste Angelegenheiten. Als Spieler hat er mit den Rojiblancos das Double mit Meisterschaft und Pokal gewonnen, aber seine Verpflichtung als Trainer für den erfolglosen Gregorio Manzano vor ein paar Monaten war nicht unumstritten. In Bukarest hebt Simeone diese Parallele zu Falcao ganz bewusst hervor: „Auch an mir haben die Leute gezweifelt.“

In den wenigen Monaten seiner Arbeit am Rio Manzanares hat der zuvor als Trainer nicht sonderlich erfolgreiche Simeone das zuvor kriselnde Atletico immerhin zum Sieg in der Europa League geführt und in der Meisterschaft in die Reichweite der Champions-League-Plätze. Wenn am Sonntag ein Sieg in Villarreal gelingt und zur selben Stunde Malaga nicht gegen Gijon gewinnt, ist Atletico als Tabellenvierter in der Qualifikation mit dabei. Und kann sich Hoffnungen darauf machen, Falcao zu halten.

Er ist jetzt 26 Jahre alt, es wird Zeit für den nächsten Sprung, und Falcao hat am späten Mittwochabend in Bukarest wenig Zweifel daran gelassen, dass es ihn zu Höherem zieht. Europa League – schön und gut, aber der große Fußball wird in der Champions League gespielt. Entsprechend zurückhaltend klingt in Bukarest sein Treuebekenntnis zu Atletico: „Wir warten ab, ob wir es in die Champions League schaffen, dann sehen wir weiter.“

Diego Simeone sucht noch in der Nacht von Bukarest nach Worten auf die Frage, ob Falcao denn nach seiner ersten, großartigen und von wettbewerbsübergreifend 35 Toren gekrönten Saison eine Zukunft bei Atletico habe. Simeone, geboren in Buenos Aires, hat früher als Trainer für River Plate gearbeitet, wo der 15-jährige Falcao seine fußballerische Sozialisierung erfuhr. „Natürlich hoffe ich, dass er bleibt. Aber wenn nicht, freue ich mich für ihn über seinen Weg, den er gehen wird.“ Sein stärkstes Argument ist die selten hässliche Silbervase, die von der Uefa für den Gewinner ausgelobt wird.

Simeone tätschelt sie liebevoll und sagt: „Schauen Sie, wir sind Champions. Und welcher Spieler verlässt schon einen Champion?“ Zum Beispiel einer, der bei den richtigen Champions mitspielen könnte. Beim ganz großen Fußball, der in Bukarest noch nie zu Gast war und für den sie wahrscheinlich ihr neues Nationalstadion umbenennen würden oder den Flughafen, mindestens.

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