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© dpa

Fall Amerell: Zudringliche Hände

Schiedsrichter Michael Kempter nennt Details einer Belästigung, Manfred Amerells Anwalt weist alle Vorwürfe zurück.

Für Konrad Matheis ist die Sache klar. „Wir stehen hinter dem Michael, auch nach dem jüngsten Interview“, sagt der Schiedsrichter vom VfB Sauldorf . Der Michael ist Michael Kempter, Bundesliga- und Fifa-Schiedsrichter, der VfR Sauldorf im Badischen ist sein Heimatverein, und dort halten sie dem 27-Jährigen auch nach seinen jüngsten Äußerungen die Treue. Kempter hat Manfred Amerell, früher Mitglied des Schiedsrichterausschusses des Deutschen Fußball-Bunds (DFB), der sexuellen Belästigung beschuldigt. In mehreren Zeitungen, darunter der „Frankfurter Rundschau“ und „Bild“, nannte Kempter nun Details. Amerell habe ihm die Hand auf die Oberschenkel gelegt, später sei die Hand „in die Hose, in den Genitalbereich gewandert“. In „Bild“ sagte Kempter: „Als die Hand in meine Hose ging, habe ich gedacht: Was soll ich jetzt machen?“. Amerell habe ihn auch auf den Mund geküsst und habe nachts an seine Hotelzimmertür geklopft. Er habe so lange geschwiegen, „weil ich Angst um meine Karriere hatte“. Erst als er gemerkt habe, dass es noch andere Fälle gegeben habe, habe er sich dem DFB offenbart. Auf die Frage, ob er „schwul“ sei, sagte Kempter: „Nein.“

Amerells Anwalt Jürgen Langer wollte zu den Einzelheiten keinen Kommentar abgeben. Er verwies auf die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht München I am 4. März. Er betonte allerdings erneut, dass Amerell die Vorwürfe der sexuellen Belästigung energisch zurückweise. Langer sagte auch: „Wer immer Herrn Kempter beraten hat, er hat ihn ins offene Messer laufen lassen.“ Zumindest bleiben Fragen offen. Zum Beispiel, weshalb sich Kempter so viele angebliche Zudringlichkeiten hat gefallen lassen. Dass er sich nicht gewehrt habe, klingt zumindest ungewöhnlich, auch wenn ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen beiden geherrscht hatte. Amerell hat enormen Einfluss auf die Einteilung von Schiedsrichtern.

Berliner Schiedsrichter kennt selbst einen Fall

Der langjährige Berliner Bundesliga-Schiedsrichter Peter Gabor erklärte dem Tagesspiegel, dass er „vor ein paar Jahren“ gehört und in einem Fall auch selber gesehen habe, „dass Herr Amerell mit jungen talentierten Schiedsrichtern herumgezogen ist“. Das habe ganz „bestimmt nichts mit der üblichen Betreuung von jungen Unparteiischen“ zu tun gehabt. Es habe sich um Schiedsrichter gehandelt, „die Anfang 20 waren“, sagte Gabor. Sie hätten in der höchsten oder zweithöchsten Berliner Liga gepfiffen. Er habe ein Mitglied des DFB-Schiedsrichter-Ausschusses darüber informiert, sagte Gabor. Dieser Funktionär sei noch immer im Amt. Und der habe ihn gebeten, weitere Informationen zu sammeln und an ihn weiterzuleiten. „Das habe ich nur kurz gemacht“, sagte Gabor. „Ich bin ja kein Kriminalkommissar.“

Gerhard Müller, der Vorsitzende des Schiedsrichter-Ausschusses des Berliner Fußball-Verbands (BFV), ist „ziemlich sauer“ über Gabors Äußerungen. Gabor solle Einzelheiten nennen, wenn er etwas gesehen habe. „Ich bin jetzt seit zehn Jahren Vorsitzender des Schiedsrichter-Ausschusses“, sagte Müller. „Aber uns ist in dieser Hinsicht nie etwas gemeldet worden.“ Gabor, der früher selber mal Ausschuss-Vorsitzender gewesen sei, hätte als Funktionär selber handeln können. Müller erklärte, Amerell habe „durchaus ein gewisses Machtbewusstsein“ gezeigt. Er habe es verstanden, die Interessen seines Regionalverbands Bayern durchzusetzen. In diesem Verband seien mehr junge Talente aufgestiegen als in anderen Verbänden. „Aber, und das muss man auch sagen, die waren schon gut.“

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