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Steht im Fokus: Hertha-Geschäftsführer Michael Preetz hat durch seine Äußerungen den Hass einiger Hertha-Fans auf sich gezogen.

© Uwe Anspach/dpa

Update

Fangewalt: Die nächste Eskalationsstufe bei Hertha BSC

Fans von Hertha BSC zeigen Manager Michael Preetz an. Ausgerechnet jetzt kommt es zum brisanten Spiel in Düsseldorf.

Es muss viel passiert sein, wenn Fußballfans gegen die Chefs des eigenen Vereins vorgehen. So wie jetzt bei Hertha BSC. „Genug ist genug“, hieß es am Mittwoch in einer Mitteilung des Förderkreis Ostkurve. Gemeint ist Herthas Manager Michael Preetz, gegen den die Fanhilfe Hertha BSC Anzeige wegen Beleidigung und übler Nachrede erstattet hat. Die Begründung: Man sei es allen verletzten Herthanern schuldig, sich gegen die herabwürdigenden Anfeindungen und falschen Anschuldigungen zu wehren.

Fraglich ist, auf welche Aussagen von Preetz die Anzeige gründet. Nachdem Herthas Ultras vor zwei Wochen in Dortmund gezündelt, die Polizei attackiert und in Toiletten des Stadions randaliert hatten, hatte Preetz von einer „Katastrophe“ und einer „ganz bitteren Stunde für den Fußball und Hertha BSC“ gesprochen. Außerdem sagte der Manager im ZDF: „Wir müssen nun diejenigen identifizieren, die das Übel sind und diese rigoros ausschließen!“ Herthas Anhänger wiederum bewerteten den Polizeieinsatz als unverhältnismäßig und ließen wegen verschiedener Verletzungen nun eine Strafanzeige gegen die Verantwortlichen vorbereiten. Die Anzeige gegen Preetz wollte Hertha unkommentiert lassen.

Es ist die nächste Stufe in einem Konflikt, der schon länger anhält. Das Verhältnis ist inzwischen total zerrüttet, ein Dialog zwischen Vereinsführung und Herthas Ultras findet nicht mehr statt. Auch beim Runden Tisch von Geschäftsleitung und organisierten Fangruppierungen an diesem Donnerstag werden sie nicht dabei sein. Die Veranstaltung sollte schon vor einer Woche stattfinden, daran wollten auch die Ultras teilnehmen. Nach den Vorkommnissen in Dortmund aber hatte Hertha ein gesondertes Gespräch mit den Ultras verlangt. „Dialogbereitschaft sieht anders aus“, teilten die Harlekins Berlin, die führende Ultragruppe der Berliner, daraufhin auf ihrer Internetseite mit: „Anstatt die Chance zu ergreifen, bei einem ,Runden Tisch’ verschiedene kritische Themen zu diskutieren, geht die Geschäftsführung mit dieser Erpressung wieder einmal nur auf Konfrontation.“ Egal, was bei der Veranstaltung am Donnerstag herauskommt: Da die Ultras nicht einbezogen sind, wird sich für sie erst einmal auch nichts ändern an der Beziehung zu Herthas Geschäftsführung. So ist es aus der Szene zu hören.

In der Kurve sind die Ultras ein wichtiger Faktor

Zum harten Kern der Ultras gehören nur 300 Menschen. In der Kurve aber sind sie ein wichtiger Faktor – das wurde am Samstag noch einmal deutlich, als sie das Olympiastadion allein durch ihre Passivität zum Schweigen brachten. Von den Ultras war es als unfreundlicher Akt aufgefasst worden, dass die Vereinsführung als Reaktion auf die Vorkommnisse in Dortmund Fahnen, Spruchbänder und Doppelhalter verboten hatte.

Wie lange die aktiven Fans den Stimmungsboykott aufrecht erhalten wollen, haben sie bisher nicht erklärt. Zu hören ist aber: Da Hertha das Fahnen- und Bannerverbot „bis auf Weiteres“ verhängt hat, werde man ebenfalls bis auf Weiteres schweigen. Also auch beim brisanten Auswärtsspiel am Samstagnachmittag in Düsseldorf – ein Duell gleich zweier Mannschaften, deren Fanszenen zuletzt unrühmlich aufgefallen sind.

Denn auch Fortunas Fans hatten beim Derby gegen Borussia Mönchengladbach quasi das gesamte Spiel hindurch mit dem Feuer gespielt. Immer wieder brannte es im Düsseldorfer Fanblock. Die Reaktion der Vereinsführung fiel ähnlich drastisch aus wie die von Preetz nach dem Dortmund-Spiel. „Mir geht das so auf die Nerven, dass man ein Spiel so an den Rand eines Abbruchs bringt. Nur wegen einer nicht nachvollziehbaren Ideologie. Wir werden das noch einmal deutlich ansprechen. Das hat nichts mit Fankultur zu tun“, sagte Fortunas Vorstandsvorsitzender Robert Schäfer. Reine Selbstdarstellung von sich selbst überschätzenden Einzelpersonen sei das. „Das werden wir nicht akzeptieren.“ Die Düsseldorfer hatten nicht nur in Mönchengladbach, sondern auch schon beim Pokalspiel unter der Woche in Ulm eine mittelgroße Pyronale veranstaltet.

Bis zu 3000 Anhänger werden in Düsseldorf erwartet

Beim Spiel gegen Hertha kommt nun hinzu, dass die Begegnung eine Vorgeschichte hat: Beide Klubs treffen zum ersten Mal seit dem Mai 2012 wieder aufeinander – damals standen sie sich in der Relegation gegenüber. Das Rückspiel in Düsseldorf endete im Chaos. Aus dem Berliner Fanblock waren damals unter anderem brennende Bengalos aufs Spielfeld geflogen, dafür fluteten die Düsseldorfer Anhänger den Rasen, als die Begegnung noch gar nicht abgepfiffen war. Die Spieler mussten in die Katakomben fliehen, erst nach minutenlanger Unterbrechung konnte die Partie zu Ende gespielt werden. 2:2 endete das sogenannte Skandalspiel, was letztlich den Abstieg Herthas in die Zweite Liga zur Folge hatte.

Man kann verstehen, dass die Nervosität angesichts dieser Konstellation ein bisschen höher ist als bei einem normalen Spiel. Zur Sicherheitsbesprechung, sonst in vielen Fällen nur eine Formalie, hat Hertha am Dienstag gleich zwei Vertreter nach Düsseldorf geschickt. Natürlich ist die Begegnung als Hochrisikospiel eingestuft worden, mit verstärkten Einlasskontrollen, höherer Polizeipräsenz und den üblichen Pufferzonen zwischen den Fanlagern. Nach derzeitigem Kenntnisstand deutet allerdings nichts darauf hin, dass es zum großen Knall kommen wird.

Etwa 2600 Karten sind bisher an die Gästefans verkauft worden, bis zu 3000 Hertha-Anhänger werden erwartet. Dass der Mannschaft massive Unterstützung zuteil wird, ist allerdings nicht zu erwarten. Am vergangenen Wochenende, beim Heimspiel gegen Leipzig, schwieg die Ostkurve und in der Folge das ganze Stadion. „So ein leises Heimspiel habe ich noch nie erlebt“, sagte Herthas Trainer Pal Dardai. „Das war wie an Halloween – Friedhofsstimmung.“ An der Grundhaltung der Ultras wird sich aber erst einmal nichts ändern. Das hat nicht zuletzt der radikale Schritt vom Mittwoch gezeigt.

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