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Fanpsychologie: Ist es leicht, Bayern-Fan zu sein?

Über die Psychologie des wahren Fußballfreundes.

Der FC Bayern ist wieder da. Brillant aufgestellt, schickt er sich an, in dieser Saison nicht nur sämtliche Titel, sondern auch die Herzen neuer Fanlegionen zu gewinnen. Genau der richtige Anlass also, sich der Frage zuzuwenden, aus welchen Motiven Fußballfreunde ihre Zuneigung an einen bestimmten Verein vergeben und weshalb sie, statistisch gesehen, bei dieser Lebensentscheidung seit dreißig Jahren am häufigsten die Münchner Bayern erwählen.

In ihrer unerschöpflichen Weisheit hat die Fanpsychologie dafür eine Standarderklärung parat: Mit der Entscheidung für den FC Bayern wählt ein Fußballfreund bewusst den Weg des geringsten psychologischen Widerstands. Denn Bayern München ist das mit Abstand erfolgreichste Team der Bundesligageschichte, Gewinnen ist angenehm, und deshalb ist das Dasein als Bayern-Fan angenehm.

Was als Erklärung auftritt, will in Wahrheit Entlarvung sein. Denn so analysiert tritt die Bayern-Psyche als schwach und opportunistisch hervor. Die Liebe des Bayern-Fans zu seinem Verein, legt das Argument nahe, ist nichts als egoistische Scheinheiligkeit, seine elitäre Pose unsichere Arroganz. Gern wird diese Erklärung deshalb zur These geschärft, der FC Bayern habe überhaupt keine Fans, jedenfalls keine, die diese Bezeichnung verdienten. Schließlich bedeute Fan-Sein den Willen zur unbedingten Identifikation gerade in der Niederlage – und davon wolle ein Bayern-Fan nichts wissen.

In unzähligen Variationen vorgetragen, wird diese Mini-Theorie allgemein als hochplausibel empfunden. Jedem noch so mittelschnittlichen Herthaner wird bedenkenlos zugestanden, er habe sein Herz – romantischen Liebesidealen folgend – völlig irrational an Blau-Weiß verloren. Der gemeine Bayern-Fan aber erscheint von vorneherein als kühl kalkulierender Homo oeconomicus, der, dem Spielideal seiner Idole gleich, selbst tiefste Lebensentscheidungen einer strengen Kosten-Nutzen-Kalkulation unterwirft. Und wäre dem so: Spricht der Hang zur handelnden Vernunft etwa gegen den Charakter eines Menschen?

So weit skeptisch geworden, bleibt die entscheidende Frage, ob ein Bayern-Anhänger tatsächlich den Weg des geringsten psychologischen Widerstands eingeschlagen hat. Zu ihrer Klärung sei nicht mehr vorausgesetzt, als dass ein wahrer Fan das Stadion mit dem festen Willen betritt, das Match zu gewinnen. Unbestreitbarer Identitätskern eines jeden wahren Bayern-Adepten ist jedoch, das konsequente Bestreben, den Verein als Ganzes möglichst so mitzugestalten, dass die aufgebotene Mannschaft, gibt sie ihr Bestes, als Sieger den Platz verlassen wird – und zwar unabhängig davon, wer der jeweilige Gegner ist. Dieser Exzellenzanspruch ist weder elitär noch arrogant, sondern schlicht die Bedingung der Möglichkeit von nachhaltig erfolgreichem Fußball. Ein idealtypischer Bayern-Fan ist so beschrieben ein Fußballfreund, der seine höchsten Ziele auch öffentlich vertritt. Welche Ausrede steht dem Bayern-Anhänger im Fall einer Niederlage offen? Keine. Ihm ist jeder Punktverlust ein Skandalon, für das er allein sich und die Seinen verantwortlich machen darf, und das, obwohl er für derartige Ereignisse von Karlsruhe bis Rostock mit Häme überschüttet wird, von Menschen wohlgemerkt, die mit ihrem Image des sympathischen Normalverlierers ansonsten hausieren gehen und sich also niemals der Gefahr aussetzen, Wunsch und Wirklichkeit offen miteinander kollidieren zu lassen.

Aus all dem kann wohl nur eines geschlossen werden: Es ist psychologisch außerordentlich bequem, Fan eines Klubs zu sein, für den die Niederlage einen wesentlichen Teil der eigenen Identität bildet – und bis auf den FC Bayern sind das sämtliche Bundesligavereine. So viel erhellt, möchte ich allen wahren Fußballfreunden von Herzen eine traumhafte Saison 2007/2008 wünschen. Hoffentlich machen es uns die anderen nicht zu leicht.

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