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Fans: Enttäuschte Franzosen, begeisterte Italiener

Die Anhänger der beiden Mannschaften im WM-Finale haben einen wahren Nervenkitzel durchstanden. Ein Bericht aus Berlin.

Berlin - Die Fans der französischen Nationalmannschaft haben ein Problem. "Allez les Bleus"? Wer mit dem bekannten Fußball-Schlachtruf der Grande Nation die Spieler anfeuern will, outet sich schnell als der Sprache unseres Nachbarn nicht mächtig. Schließlich sollten im Finale der Fußball-Weltmeisterschaft die Italiener in blauen Trikots auflaufen, und denen gilt an diesem Sonntagabend gewiss nicht die Unterstützung der rund 80 Franzosen und frankophilen Berliner im französischen Kulturzentrum am Kurfürstendamm.

"Allez le Blancs!" dröhnt es deshalb kurz vor Spielbeginn auf den Ku'damm, als das französische Team in ihren weißen Trikots frenetisch begrüßt wird. Auch wenn in den Fenstern die französische und die italienische Flagge einträchtig nebeneinander hängen - die Sympathien sind klar vergeben. "Das wird heute unser Triumph", gibt sich der 23-jährige Student Cédric Dufour siegesgewiss. Und doch: Man weiß um den starken Gegner. Kurz nach Anpfiff herrscht angespannte Stille, die in Entsetzen umschlägt, als nach gerade einmal zwei Minuten Stürmer Thierry Henry verletzt vom Platz muss.

Umso größer ist die Freude, als er kurze Zeit später wieder zurück ins Spiel kann. Nur fünf Minuten danach steigert sie sich ins fast Unermessliche, als Alt-Star Zinedine Zidane einen Foul-Elfmeter verwandelt. Aber das Spiel bleibt ein Wechselbad der Gefühle. In der 19. Minute fällt das gefürchtete Gegentor, die Kommentatoren der französischen Fernsehübertragung, das hier auf der Leinwand gezeigt wird, sind so erschrocken wie die Fans.

Im voll besetzten italienischen Restaurant "I Due Forni" in der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg hoffen derweil mehrere hundert Fans der Italiener auf einen Sieg ihrer Mannschaft. Auf der Leinwand im Garten verfolgen sie die kämpferische Partie, feuern ihr Team mit "Italia! Italia!"-Rufen an. Beim Ausgleich durch Materazzi reißt es die meisten von den Bänken. Andrea und Irene Icone aus Florenz können vor Aufregung kaum sprechen. Am Anfang hatten sie noch ihre Zweifel, ob ihre Mannschaft stark genug sein würde. Jetzt sind alle Zweifel weggewischt.

Französisches Fans entsetzt über Zidanes Foul

Nach der Halbzeitpause scheint die Anspannung bei den französischen Fans gewichen. Jede gute Aktion der torgefährlichen "Equipe Tricolore" wird lautstark gefeiert, das wegen Abseits nicht gegebene Tor in der 61. Minute vermag die hochemotionale Stimmung nur kurz zu trüben. Begeistert verfolgen die Besucher des Kulturzentrums mit Sprechchören, wie die französische Elf kaum noch vom italienischen Tor weicht. In der Nachspielzeit hält es einige nicht mehr auf ihren Stühlen, ausgelassen skandieren sie den Namen von Zidane - bis er wegen eines überflüssigen Fouls vom Platz gestellt wird. "Das ist ein Drama!", ruft Cédric entsetzt.

Die Nachspielzeit bringt keine Entscheidung, und so folgt der Nervenkrimi des Elfmeterschießens. Mit lauten "Barthez"-Rufen feuern sie den Torwart der Equipe an. Als der Franzose David Trezeguet nur die Latte trifft, herrscht Totenstille. Die Italiener gewinnen. Nur wenige Minuten später fahren die ersten Italienfans hupend über den Ku'damm. Cédric hat seine Fahne da schon eingerollt und sitzt schluchzend am Boden. "2010 werden wir es schaffen", sagt er zuversichtlich

Die Italiener sind hingegen in ihrer Freude kaum noch zu bremsen. Mit einer Prosecco-Dusche, die jeden Formel-1-Fahrer neidisch machen würde, lassen sie ihr Team hochleben. Für Raphaele Castelli war der Sieg von vornherein klar, weil es zuhause in Italien derzeit so viele Probleme gibt. Roberto Cragnola und Fabio Astori rufen nach dem Spiel sofort ihre Mütter an. "Das ist Tradition bei uns", sagen die beiden, und viele andere glückliche Italiener tun es ihnen an diesem Abend gleich. (tso/ddp)

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