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Fathis Blitztransfer: Dawai, dawai!

Immer teurer, immer schneller: Was Malik Fathi über Russlands Fußball wissen muss.

Malik Fathi, 24, ist in der Nacht nach Moskau geflogen, zu seinem neuen Arbeitgeber Spartak. Kaum gelandet, hat Fathi der russischen Zeitung „Sport Express“ erzählt: Ein paar Brocken Russisch habe er auf Berlins Straßen gelernt, zum Beispiel „Danke“, „Prost“, „Auf Wiedersehen“. Und: „Du hast schöne Augen.“ Das sollte fürs Erste reichen. Alles Weitere über den russischen Fußball kann Fathi hier nachlesen, auf „11 Freunde freitags“. Wir rufen zum Abschied: Wsjewo charoschewo, Malik! Alles Gute, Malik!

DER LIEBLINGSKLUB

Fathis neuer Arbeitgeber ist nicht nur Rekordmeister, sondern auch der beliebteste Klub in Russland. Das hängt mit seiner Geschichte zusammen. Spartak, 1922 gegründet, war zu Sowjetzeiten nie einem Ministerium unterstellt und gilt als Volksklub. Hauptsponsor ist Lukoil, größter Mineralölkonzern Russlands; dessen Vizepräsident Leonid Fedun ist Spartaks Vereinschef. Vermutlich wird Fedun über die Ablösesumme von vier Millionen Euro lächeln – und einfach bar bezahlen.

DER UNTERMIETER

Spartak ist nur Untermieter des Zweitligisten Torpedo, dem das Luschniki-Stadion gehört. Kapazität: 85 000 Fans. Es ist das größte in Russland und auch ansonsten ein ganz besonderes. Gespielt wird auf Kunstrasen. Als die Engländer im vergangenen Oktober zum vorentscheidenden EM-Qualifikationsspiel auf dem Moskauer Kunstrasen antreten mussten, befürchteten sie erstens den Untergang des Abendlandes und übten zweitens für ein paar Tage auf dem Kunstrasenplatz eines katholischen Colleges. Hat alles nichts geholfen. England verlor 1:2.

DER UNTERGRUND

Eigens für das Champions-League-Finale am 21. Mai wird im Luschniki natürlicher Rollrasen verlegt. So hat es die Uefa festgelegt, aber nur für dieses eine Spiel. Im Oktober 2009, wenn die deutsche Nationalmannschaft in Moskau antritt, wird wieder auf Kunstrasen gespielt. Das ist 19 Monate und eine Europameisterschaft weit weg, aber Bundestrainer Joachim Löw macht sich schon jetzt Gedanken, „denn unsere Spieler sind es nicht gewohnt, auf Kunstrasen zu spielen“. Bis auf einen: Malik Fathi könnte sich den Abend des 11. Oktober 2009 schon mal vormerken – für sein drittes Länderspiel.

DER VIP-TEMPEL

Spartak Moskau lässt sich aber – wie es sich gehört für einen reichen Klub! – ein eigenes Stadion bauen. Die neue Arena, die von einem Dortmunder Architekturbüro entwickelt wurde und 2009 fertig sein soll, entsteht auf einem ehemaligen Flugfeld. Sie hat 35 000 Sitzplätze, mehr als hundert Logen, einen Businessclub und ein Restaurant für 2000 Besucher.

DER EINKAUFSZETTEL

Der Arbeitsplatzwechsel nach Russland wirkt immer noch exotisch. In Westeuropa hat der russische Fußball ein Imageproblem. Spieler aus den großen europäischen Nationen lassen sich bisher nur widerwillig locken. Auf Spartaks Wunschliste standen auch Per Mertesacker, Robert Enke und Christian Schulz. Sie wollten alle nicht nach Russland. Die ausländischen Profis kamen bisher vor allem aus ehemaligen Ostblockländern und Südamerika. Nachdem anfangs Brasilianer gefragt waren, konzentrieren sich die Klubs inzwischen auf Argentinier.

DIE EXIL-PROFIS

Umgekehrt haben schon eine Menge Russen in der Bundesliga gespielt: Sergej Gorlukowitsch Anfang der 90er beim BVB und bei Bayer Uerdingen. Oder Sergej Wjatscheslawowitsch Kirjakow, kurz: „Kiki“, beim Karlsruher SC. Nicht zu vergessen: Iwan Sajenko, 24, russischer Nationalspieler beim 1. FC Nürnberg. Komischerweise hat er nie in Moskau gespielt.

DIE STÄDTELIGA

Fußball in Russland ist weitgehend eine Moskauer Angelegenheit. 16 Klubs hat die Premjer-Liga. Neben Fathis neuem Klub Spartak sind vier weitere Vereine der Hauptstadt vertreten: Dynamo, Lokomotive, ZSKA und FK Moskau, dazu kommen die Vorortvereine FC Chimki und Saturn Ramenskoje.

DIE WELTREISE

Expansion ist ja schön und gut, aber mussten die Zaren ihre Armee im neunzehnten Jahrhundert denn gleich bis zur Pazifikküste schicken? Vor zwei Jahren stieg der FC Luch Energie Wladiwostok auf. Wladiwostok ist Russlands wichtigste Hafenstadt am Pazifik und 6430 Kilometer Luftlinie von Moskau entfernt. Den längsten Weg hat Zenit St. Petersburg: 9635 Kilometer. Das entspricht ziemlich genau der Entfernung zwischen Berlin und Los Angeles. Doch während bei Hertha BSC mitten im Punktspielbetrieb niemand ernsthaft über ein Gastspiel bei David Beckhams Galaxy nachdenkt, müssen die Petersburger Kollegen sehr wohl einmal im Jahr an den Pazifik reisen. Für Luch Energie ist der Jetlag ein nicht unwesentlicher Faktor. 200 000 Kilometer wollen im Lauf einer Saison zurückgelegt werden, und es wären noch mehr, wenn der Verband dem Klub per Ausnahmegenehmigung nicht Tourneen von zwei bis drei Auswärtsspielen hintereinander genehmigt hätte.

DAS FRÜHSTÜCKSFERNSEHEN

Das zweite logistische Problem betrifft die Fernsehübertragungen. Die russischen Fans leben in ihrer überwältigenden Mehrheit in und um Moskau, und sie wollen ihre Mannschaften am liebsten nachmittags sehen. Da zwischen Moskau und Wladiwostok sieben Zeitzonen liegen, werden die Spiele an der Pazifikküste morgens um acht oder neun angepfiffen.

DER VOLKSSPORT

Fußball ist auch in Russland Volkssport Nummer eins. Nachdem die Liga vor der vergangenen Saison die TV-Rechte an einen Pay-TV-Sender verkauft hatte, intervenierte Präsident Putin. Das Programm hätten sich nur Reiche leisten können. Der Vertrag musste annulliert werden.

DER PRÄSIDENTENKLUB

Malik Fathi sollte bei Spielen gegen Zenit St. Petersburg unbedingt beachten: Wie ein gewisser Wladimir Putin ist auch der neue russische Präsident Dmitri Medwedew Anhänger des Meisters. Doch Medwedew begnügt sich nicht damit, einfacher Fan zu sein, er ist sogar Vorsitzender eines Vip-Fan-Klubs von St. Petersburg. Längst träumt er von Höherem: dass Zenit eines Tages die Champions League gewinnt.

DIE OLIGARCHENLIGA

Mächtige Männer haben im russischen Fußball viel zu sagen: Die meisten Klubs der Premjer-Liga gehören reichen Oligarchen oder Unternehmen. Das fördert den Wettbewerb: Gelder sind reichlich vorhanden, auch für Stars aus dem Ausland. Millionenablösen sind kein Problem, allerdings suchen sie inzwischen auch nach günstigen Spielern, die sie mit Gewinn weiterverkaufen können. Der Slowake Martin Skrtel ist im Winter von St. Petersburg zum FC Liverpool gewechselt – für eine Ablöse von 8,6 Millionen Euro.

DIE IMAGEKAMPAGNE

Go west! Die Liga wollte in der neuen Saison, die an diesem Wochenende beginnt, ins Exil gehen. Das Spiel des Meisters Zenit St. Petersburg gegen den Vorjahresvierten FK Moskau sollte im Stadion des FC Chelsea stattfinden. In London leben viele Russen, es gibt dort viel russisches Kapital. Dazu wäre die Veranstaltung im Westen noch eine wunderbare Imagewerbung gewesen. Vor den Präsidentenwahlen ließ sich diese Idee jedoch politisch nicht durchsetzen: Es wäre wohl der Eindruck entstanden, dass den Fans ein Spitzenspiel weggenommen worden wäre.

DIE KRÖNUNG

Russland will die WM 2018 austragen. Eine Bewerbung gibt es noch nicht, der Verband hat bei der Fifa allerdings sein Interesse angekündigt. Derzeit entstehen überall neue Stadien. Neben den Arenen, die von den Klubs gebaut werden, gibt es ein staatliches Stadionbau-Programm, das zehn Arenen mit je 40 000 Plätzen umfasst. Wo die Stadien gebaut werden, steht noch nicht fest.

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