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Thomas Müller (li.) und Thiago (re.) waren taufrisch gegen den FC Porto

© Reuters

FC Bayern München in der Champions League: Nach 6:1 gegen Porto: Ganz sicher kein Wunschlos mehr

Bei Bayern München kriselte es zuletzt ein bisschen. Nach dem Spektakel gegen Porto spricht davon keiner mehr. Vor allem einer wird mit Lob überschüttet.

Diesen Thomas Müller, das haben sich vermutlich schon viele seiner Trainer gedacht, diesen Thomas Müller, müsste man erfinden, würde es ihn nicht schon geben. Nicht nur wegen seiner Tore oder seiner Art zu spielen, die so unkonventionell ist wie Müllers Umgang mit schwierigen Situationen und seinen wohltuend unangepassten, manchmal komischen Kommentaren. Da war nach dem fulminanten 6:1-Sieg über den FC Porto, der den FC Bayern ins Halbfinale der Champions League katapultierte, die Sache mit dem Zahnfleisch. Auf jenem, so haben die Spieler des deutschen Rekordmeisters zuletzt manchmal behauptet, würden sie „daherkommen“, Müller gehörte auch zu jenen Unkenrufern. Aber, fand er mit einem verschmitzten Lächeln am Dienstagabend, „es ist ein gutes Zahnfleisch, würde ich sagen“.

Davor war er noch kurz ein Stück den Zaun vor der Südkurve hochgeklettert und hatte mithilfe eines Megafons den Einpeitscher gegeben. Vielleicht war Pep Guardiola ganz froh, dass er diesen Ausflug nicht gesehen hat, er hätte sich bestimmt Sorgen gemacht, auch Müller könnte sich noch verletzen. Der Trainer des FC Bayern war zu diesem Zeitpunkt bereits in den Katakomben der Münchner Arena verschwunden, auch um den Schaden zu begutachten, den er angerichtet hatte. Seine Hose hatte den Temperamentsausbrüchen Guardiolas am Spielfeldrand nicht standgehalten, die Naht am linken Oberschenkel war gerissen. Die Arena verließ der Trainer eine gute Stunde später mit einem blauen Pullover um die Hüften, der die defekte Stelle verbarg. Guardiola weiß sich eben zu helfen. In allen Lagen.

„Das war ein Statement-Sieg“

Da war man sich vor dem Viertelfinale-Rückspiel gegen den FC Porto nicht mehr so sicher gewesen. Es hatte viel gegen die Münchner gesprochen und nur wenig für sie. Aber mit dem Rücken zur Wand nach dem 1:3 in Porto zu stehen, fand der ulkige Müller, mache manchmal besonders viel Spaß. Es sei schön, „wenn wir einmal im Jahr ein Spiel gewinnen können und nicht nur nicht verlieren“. Am Dienstagabend hatte es tatsächlich sehr viel zu verlieren gegeben für die Bayern, das System Guardiola stand auf dem Spiel, der klubinterne Frieden. „Das war ein Statement-Sieg“, sagte – ja, genau – Thomas Müller. Der Auftritt der Münchner, die in der ersten Hälfte über die Portugiesen wie ein Orkan hinwegfegten und innerhalb einer knappen halben Stunde fünf Tore erzielten, hat nicht nur eine beruhigende Wirkung für das Betriebsklima, sondern ist auch als Signal an Europa zu verstehen.

In den vergangenen Wochen hatte sich der FC Bayern abgemeldet als einer der Top-Favoriten auf die Champions-League-Trophäe. Einen Halbfinaleinzug dank des vermeintlich einfachen Loses Porto trauten die meisten dem Bundesliga-Tabellenführer noch zu, aber die Leistungen in der Rückrunde waren nur selten so unwiderstehlich, grandios, glänzend, um auch mit den spanischen Klubs mithalten zu können. Nun bewies die Mannschaft, dass mit ihr zu rechnen ist, trotz der vielen verletzten Leistungsträger. „Wir sind Bayern München, wir können alles schaffen“, sagte Lewandowski. Der Pole hat die Klub-Philosophie längst verinnerlicht, ebenso wie Thiago, der nach seiner langen Verletzungspause immer mehr zum Kopf des Kreativspiels avanciert. „Die Mannschaft hat große Qualität und ein großes Herz“, sprach Kapitän Philipp Lahm.

Und einen Trainer, der oft eine Antwort parat hat, wenn sein Team an Grenzen zu stoßen scheint. Sportvorstand Matthias Sammer bezeichnet Guardiola „als Segen“, für die Bayern, aber auch den deutschen Fußball, „weil seine Ideen einfach unglaublich sind“. Er habe die Gabe, „dass er auch in kritischen Situationen ruhig bleibt, klar analysiert, klare Vorgaben gibt und auch absoluten Optimismus ausstrahlt“.

Am Dienstag war eine dieser Ideen, das Flügelspiel zu stärken. Doch vermutlich hatte nicht allein die taktische Finesse den Ausschlag gegeben, sondern auch Einstellung, Mentalität und Leidenschaft der Spieler. Womöglich ist es in dieser Phase der Saison und mit diesen personellen Engpässen nicht mehr möglich, in jedem Spiel hundert Prozent zu geben, aber immer dann, wenn es darauf ankommt: Am kommenden Dienstag im Pokal-Halbfinale gegen Borussia Dortmund wieder oder danach auf der Schlussgerade der Champions League. „Ich glaube, was jetzt auf uns im Halbfinale wartet, wird noch eine Stufe höher sein“, sagte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge. „Aber ich glaube, wir sind auch nicht das Wunschlos der anderen.“ Seit Dienstag ganz sicher nicht mehr.

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