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Sport: FC Bayern München: Sie werden gejagt, das tut ihnen gut

Ein Oscar für Ciriaco Sforza? Mit seiner Rolle des Gemobbten hat der Schweizer jenen Hollywoodeffekt ausgelöst, der den FC Bayern München schon immer in besonderen Situationen zu besonderen Leistungen stimulierte.

Ein Oscar für Ciriaco Sforza? Mit seiner Rolle des Gemobbten hat der Schweizer jenen Hollywoodeffekt ausgelöst, der den FC Bayern München schon immer in besonderen Situationen zu besonderen Leistungen stimulierte. So sind sie halt, die Bayern. Der meisterliche 3:1-Sieg beim VfL Wolfsburg und die daraus resultierende Tabellenführung der Bundesliga waren, wenn man so will, auch eine Folge der Unruhe, für die der ausgebootete Schweizer mit seiner Mobbing-Version vor dem Spiel gesorgt hatte. Oliver Kahn jedenfalls fand das Theater ganz nützlich. "Wenn es in einer Mannschaft rumort, zeigt das, dass sie intakt ist, dass sie lebt." Der Fall Sforza wurde vormittags vor dem Spiel in einer Aussprache erledigt, nachdem sich die Bayern-Bosse maßregelnd zu Wort gemeldet hatten. "Fakt ist, dass Sforza zuletzt nicht so gespielt hat, wie wir das von ihm erwarten. Also wurde er ausgewechselt. Das ist doch normal", sagte Manager Uli Hoeneß. Vize-Präsident Karl-Heinz Rummenigge pflichtete ihm bei: "Ein Spieler seiner Güteklasse sollte sich sachlicher Kritik stellen können. Sforza muß lernen, selbstkritischer zu werden und nicht so empfindlich zu sein."

Ciriaco Sforza, der seinen Stamm- mit dem Bankplatz tauschen musste, hatte beim Masselsieg gegen den VfL Bochum einen schwarzen Tag. Ottmar Hitzfeld zog daraufhin die ganz normale Konsequenz und übertrug Jens Jeremies die strategisch so bedeutende Position im Abwehrzentrum. Der Trainer fand seine Maßnahme prompt in Wolfsburg bestätigt: "Wenn man hinten sicher steht, kann man auch Gefährlichkeit nach vorne ausstrahlen. Das war eindrucksvoll." Mobbing habe es nie gegeben, dementierte Sforza auf einmal seine Zitate aus der Zeitung: "Alles Quatsch. Wir sind kein A-Klassenverein, sondern der FC Bayern." Dennoch bat er Kapitän Effenberg um klärende Worte vor dem Spiel: "Stefan, wir müssen was machen." Also traf sich die Mannschaft ohne Trainer vormittags, um Tacheles zu reden. Sforza forderte: "Wenn einer ein Problem mit mir hat, können wir das unter vier Augen besprechen. Wir sind alt genug.

Hitzfeld hatte die ganze Aufregung ohnehin nur als eine "Mediengeschichte" betrachtet. Das eigentliche Thema sollte das Spielgeschehen in Wolfsburg sein, wo die Bayern in eisiger Kälte eiskalt konterten und "zum richtigen Zeitpunkt die Tore machten", wie VfL-Libero Thomas Hengen klagte. Nur nachdem Juskowiak (27. Minute) die Bayern-Führung durch Elber (13.) ausgeglichen hatte, konnten die Wolfsburger kurzzeitig von einem Erfolg gegen den Meister träumen. Scholls Treffer zum 2:1 praktisch mit dem Pausenpfiff und erneut Elber mit dem 3:1-Endstand (60.) machten diese Hoffnungen jedoch früh zunichte.

"Kontern", sagte Hitzfeld, "ist unsere Spezialität." Kontern im engeren Sinne gegen angreifende Wolfsburger. Und kontern gegen Emporkömmlinge wie den zwischenzeitlichen Tabellenführer Schalke 04. Aber dieses Intermezzo ist ja nun erst einmal wieder vorbei, was die bayerische Seele entsprechend beruhigt: "Jetzt werden wir wieder gejagt, das tut uns gut," sagte Bayerns Mittelfeldspieler Torsten Fink. Aus bayerischer Sicht ist gewissermaßen der natürliche Zustand wiederhergestellt. Trotzdem: "Das ist keine Vorentscheidung", sagte Kapitän Stefan Effenberg, "aber auch nicht unwichtig. Wir werden sehen, wie die Schalker ihre hohe Niederlage verdauen."

Wenn die Bayern so abgeklärt weiter machen wie in Wolfsburg, werden sie wohl zum dritten Mal in Folge Meister. Die Mannschaft Ottmar Hitzfelds spielte jedenfalls meisterlich. Auch wenn bis zum Titel-Hattrick noch viel passieren kann: Oliver Kahn empfindet den Platz an der Tabellenspitze "gut für die Psyche und für sonst gar nichts". Nach ihrem Selbstverständnis "sollen die anderen nach uns schauen und wir nicht jeden Freitag oder Samstag nach Schalke und Dortmund", sagte Hoeneß.

Bayer Leverkusen erwähnte er erst gar nicht.

Hartmut Scherzer

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