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Geschockt. Brügges Trainer Ivan Leko sieht sich mit Vorwürfen konfrontiert.

© imago/Panoramic International

FC Brügge, RSC Anderlecht und Co. im Fokus: Skandal im belgischen Fußball: Lug und Trug

Vermittler, Funktionäre und Schiedsrichter sollen im großen Stil Spiele manipuliert haben. Ein Überblick über den größten Fußballskandal seit langem.

Es passiert nicht oft, dass der belgische Fußball ganz Europa beschäftigt. Seit Mittwoch aber schauen alle auf das kleine Land. Denn seither ist klar, dass Spiele wohl im großen Stil manipuliert worden sind. Die Ausmaße sind bislang nicht absehbar, möglicherweise dehnt sich der Skandal aber noch auf die Nachbarländer aus. Als direkte Folge wurde zunächst der für das Wochenende geplante zehnte Spieltag der Zweiten Liga komplett abgesagt.

Worum geht es?

Bei der „Operation saubere Hände“ haben Ermittler 44 Objekte in Belgien und 14 im Ausland durchsuchen lassen: in Frankreich, Luxemburg, Zypern, Montenegro und Mazedonien. Insgesamt 28 Menschen wurden vorläufig festgenommen, die meisten von ihnen sind nach Vernehmungen inzwischen wieder auf freiem Fuß. Betroffen waren nach Angaben von belgischen Medien unter anderem Verantwortliche von Vereinen, Spieleragenten, Schiedsrichter und Journalisten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt offenbar bereits seit Ende 2017 in dem Fall. Es geht um Steuerhinterziehung sowie „mögliche Beeinflussung von Wettbewerben“. Die Rede ist davon, dass die Verdächtigen eine kriminelle Vereinigung gebildet haben. Im Fokus sind auch Topklubs wie Borussia Dortmunds Champions-League-Gegner FC Brügge oder der RSC Anderlecht. Konkret äußerte die belgische Bundesstaatsanwaltschaft unter anderem den Verdacht, dass zwei Erstliga-Partien der Saison 2017/2018 manipuliert worden seien. Dabei habe es sich um Verschiebungen im Abstiegskampf zu Gunsten des KV Mechelen gehandelt.

Wer ist beteiligt?

Im Zentrum der Affäre stehen zwei Vermittler von Profispielern. Zum einen geht es um Mogi Bayat, ein Belgier, dessen Familie aus dem Iran stammt. Der zweite ist der Serbe Dejan Veljkovic. Beide sind als Spielervermittler bestens im belgischen und internationalen Fußball vernetzt. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie betrogen haben, um ihre finanziellen Beteiligungen an den Spielerverkäufen in die Höhe zu treiben. Sie sollen damit ihre Auftraggeber, die Klubs und die Spieler, geschädigt haben. Bayat und Velkovic werden mit Mechelen, RC Genk, Sporting Lokeren, Brügge und Standard Lüttich in Verbindung gebracht. Die Vereine teilten mit, dass sie nichts von den kriminellen Machenschaften gewusst hätten. Zu den Prominenten, gegen die der Untersuchungsrichter einen Haftbefehl erließ, gehörten aber auch der Finanzdirektor des KV Mechelen, Thierry Stemans, sowie Ivan Leko, der Trainer des belgischen Meisters FC Brügge, der eine Nacht im Gefängnis verbracht hat. Außerdem wurden zwei der bekanntesten Schiedsrichter des Landes vom belgischen Fußballverband ausgeschlossen: die beiden Fifa-Referees Bart Vertenten und Sebastien Delferiere. Vertenten spielte als Schiedsrichter eine entscheidende Rolle im Abstiegskampf der Saison 2017/18. Auch zwei Journalisten sollen in den Skandal verwickelt sein.

Wie wurde manipuliert?

Mit dem Ziel, den Abstieg des KV Mechelen zu verhindern, sollen mehrere Erstligaspiele in der vergangenen Saison verschoben worden sein. Auffällig waren vor allem mehrere Elfmeter-Entscheidungen. So in einem Spiel zwischen Eupen und Antwerpen: Gegen Eupen, das wie Mechelen gegen den Abstieg kämpfte, verhängte der „Unparteiische“ einen Strafstoß, obwohl das angebliche Foulspiel deutlich erkennbar außerhalb des Strafraums begangen wurde. Bei einem anderen Spiel zwischen Mechelen und dem RSC Charleroi verschoss Mechelen in der 82. Minute einen umstrittenen Elfmeter. Ein Treffer hätte dem Klub die Klasse gesichert, so ging das Duell 1:1 aus – und all die vermeintlichen Manipulationen waren vergeblich. Mechelen, die Stadt liegt etwa 30 Kilometer von Brüssel entfernt, stieg trotzdem in die Zweite Liga ab. Schiedsrichter Delferiere steht aber wohl auch wegen der Leitung der Partie zwischen dem FC Brügge und dem RSC Anderlecht aus dem Dezember 2017 unter Verdacht. Er verhängte gleich zwei Elfmeter gegen Anderlecht, das krachend 0:5 verlor. Für Brügge waren es wichtige drei Punkte auf dem Weg zum Meistertitel.

Hinter Gittern. Spielervermittler Mogi Bayat gilt als Strippenzieher des Skandals.
Hinter Gittern. Spielervermittler Mogi Bayat gilt als Strippenzieher des Skandals.

© Yorick Jansens/AFP

Wie ließen sich die Schiedsrichter beeinflussen?

Einer der Drahtzieher des Betrugs, der Serbe Dejan Velkovic, soll Schiedsrichter Sebastien Delferiere einen Rabatt von 20 Prozent beim Kauf eines VW Tiguan bei einem Händler in Alst vermittelt haben. Dadurch hoffte Velkovic, ein Spiel im Abstiegskampf manipulieren zu können. Doch Delferiere verletzte sich am Meniskus und konnte bei dem Spiel nicht auflaufen. Daraufhin kümmerte sich der Serbe um einen zweiten belgischen Schiedsrichter, Bart Vertenten. Er versprach ihm, für gute Bewertungen durch zwei Journalisten in belgischen Publikationen zu sorgen.

Was bedeutet der Skandal für den belgischen Fußball?

Der Skandal erschüttert die Glaubwürdigkeit des belgischen Fußballs. Die Bedeutung kann gar nicht groß genug eingeschätzt werden. Fußball ist neben Radsport die beliebteste Sportart in Belgien. Die Belgier waren enorm stolz auf das gute Abschneiden der Roten Teufel, wie die belgische Nationalmannschaft heißt, bei der Weltmeisterschaft im Sommer in Russland. Die belgischen Tageszeitungen berichten seit Mittwoch unter der Wortschöpfung „Footbel-Gate“ von dem Skandal, der die Nation ohnehin an einem wunden Punkt trifft: Viele Belgier beschweren sich darüber, dass im Land niemand mehr Regeln respektiert. Sei es im Straßenverkehr, bei der Steuererklärung und jetzt auch auf dem Fußballplatz – überall werde geschummelt.

Könnte der Fall auch Auswirkungen auf den deutschen Fußball haben?

Der Fall hat womöglich noch eine internationale Dimension. So soll Bayat auch auf die Mithilfe von Komplizen unter Spielervermittlern in anderen Ländern zurück gegriffen haben. Ihm wird zudem vorgeworfen, Karussellgeschäfte mit Luxusuhren im Wert von acht Millionen Euro gemacht zu haben, um den belgischen Fiskus bei der Mehrwertsteuer zu betrügen. Bislang deutet allerdings nichts darauf hin, dass auch Deutschland betroffen sein könnte. Die Ermittler verfolgen Spuren, die nach Frankreich, England und Luxemburg führen. Dort ansässige Spielervermittler sollen den beschuldigten Vermittlern in Belgien geholfen haben, die verdeckt erhobenen Provisionen auf Konten zu verstecken. Dabei spielte offenbar auch ein belgischer Rechtsanwalt, Laurent Denis, eine Rolle, der bereits bei einem früheren Skandal um Vermittlungsgelder aufgefallen war.

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