zum Hauptinhalt
Altlasten. Liverpools Fans beklagen die Ausplünderung ihres Klubs durch die alte Führung. Die neue hat’s nicht leichter.

© AFP

FC Liverpool: Die Freiheit zu verlieren

Der FC Liverpool ist jetzt seine Schulden los. Dafür kämpft der englische Traditionsklub um seine sportliche Existenz.

„Heute hat sich die Wolke über unserem Verein verzogen“, sagte Liverpool-Trainer Roy Hodgson, als der von der Gläubigerbank Royal Bank of Scotland forcierte Verkauf der „Reds“ am Wochenende endgültig bestätigt war.

Das Drama, das sich gleichzeitig in Londoner Anwaltskanzleien, dem Königlichen Gerichtshof und in texanischen Justizgebäuden abgespielt hatte, hatte auf der Insel in der vergangenen Woche alle anderen Geschichten wie eine rote Lawine unter sich begraben. Die Internetseite des „Guardian“, der den Wirtschaftskrimi drei Tage lang in einem Newsticker rund um die Uhr live begleitet hatte, war unter dem Andrang der Besucher sogar kurzzeitig zusammengebrochen. Wie in Chile rief man 48 Stunden vor dem Derby gegen den FC Everton rund um die Anfield Road spontan den „Liberation Day“, den Tag der Freiheit, aus.

Erlöst wurden die Anhänger der Roten zwar nicht von der Fremdbestimmung – der neue Eigentümer John W. Henry ist wie die verhassten Vorgänger Tom Hicks und George Gillett Amerikaner –, doch die 343 Millionen Euro teure Übernahme durch den Besitzer der Boston Red Sox verspricht zumindest ein Ende der finanziellen Zwänge. Liverpool ist mit einem Schlag schuldenfrei – und kann darauf vertrauen, dass Henry und seine Firma „New England Sports Ventures“ begriffen haben, wie Profifußball grundsätzlich funktioniert. „Unsere Gehaltskosten müssen steigen“, sagte der NESV-Vorsitzende John Werner. „Uns ist klar, dass der Erfolg in der Premier League sehr eng mit dem Niveau der Gehälter zusammenhängt.“ Werner war am Rande der Partie gegen den FC Everton ebenfalls realistisch genug, nicht von „langen Flitterwochen“ mit den Anhängern des Traditionsklubs auszugehen. Dafür ist die sportliche Lage nach dem 0:2 im Derby zu prekär.

Liverpool ging am Sonntag nach dem schlechtesten Saisonstart seit 1953 als Achtzehnter ins Kellerduell mit den nur in der Tordifferenz besseren Nachbarn. Die kleine Punkteausbeute ließ den Hype vor dem Merseyside-Derby noch größer und den Lärm noch lauter als sonst sein – Henry hielt sich auf der Ehrentribüne im Goodison Park bereits vor dem Anpfiff ein Ohr zu. Die Evertonians fielen in der Anfangsphase wie eine Horde Berserker über die Gäste her.

Liverpool kam ein einziges Mal vor das gegnerische Tor, doch Tim Howard hatte mit dem Hinterkopfball von Fernando Torres keine Probleme. Der Ball gehörte sonst weiter nur den Blauen, die nach einer halben Stunde wenig überraschend durch Tim Cahill in Führung gingen. Kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit zog Mikel Arteta aus 17 Metern ab. Der Ball flog an einem halben Dutzend Spielern und Torhüter Pepe Reina vorbei ins Netz zum 2:0-Endstand. Dem FC Liverpool mangelte es nicht nur an Ideen, sondern spürbar auch an Selbstvertrauen. Neue Wolken sind also schon da: Des Volkes Wut kann sich fortan ganz der sportlichen Misere widmen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false