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Wahre Liebe. Ob der Fanclub Nationalmannschaft das Team bald genauso poetisch besingt?

© dpa

Fernab von Island und Irland: Die deutschen Fans und die Hitparade der Einfallslosigkeit

Bei der EM tönt allerlei Lustiges durch die Stadien. Nur leider viel zu selten aus dem deutschen Fanblock. Die Nationalelf hat mehr verdient als den gesungenen Rückpass.

Langsam fangen wir an, dieses Turnier, nun ja, nicht überschwänglich zu lieben. Aber ein bisschen gern haben wir es inzwischen schon. Man musste es nur eine Weile liegen lassen, dann hat es dazugewonnen. Um sich ganz aufs nächste Spiel gegen Frankreich zu freuen, stehen nun mindestens zwei Fragen im Weg: Wer aus dem deutschen Team kann überhaupt noch spielen? Und: Schafft der deutsche Fanblock den Sprung in die Gegenwart?

„Siegggg!“ und „Die Nummer eins der Welt sind wir“ war zuletzt wieder beim Spiel gegen Italien tausendfach zu hören. Bei diesen Schreien schwingt nicht nur ein hässlicher historischer Unterton mit. Sie führen gerade außerdem die Hitparade der Einfallslosigkeit an.

Zum Fußball gehört auch der gepflegte Rempler. Auch auf der Tribüne. Nur dass eben ein im Chor gebrülltes „Scheiß Italiener, wir singen Scheiß Italiener“ sensationell armselig ist. Es ist eine Europameisterschaft, bei der die Isländer wikingerherhaft jubeln, Nordirland on fire ist und auch sonst allerlei Lustiges durchs Stadion klingt. Von den lautesten Deutschen im Fanblock leider nicht.

Sie haben offenbar auch noch nicht mitbekommen, wer da vor ihnen spielt und wen sie da anfeuern. Eine Auswahl moderner Berufsfußballer, die einen großen Teil dieser Gesellschaft spiegeln und wie etwa Thomas Müller immer wieder für einen souveränen Scherz auf eigene Kosten gut sind. Diese Mannschaft hat auf jeden Fall mehr verdient als den gesungenen Rückpass.

Die Wiederholung der Nationalhymne klingt lächerlich trotzig

In den Bundesligastadien sind an jedem Wochenende originelle Choreografien zu sehen und immer wieder selbstironische Gesänge zu hören. Die Fankultur entwickelt sich ständig weiter. Wieso sind gerade Fans der prominentesten deutschen Mannschaft stehen geblieben? Der Fanclub Nationalmannschaft, über den viele der deutschen Zuschauer ins Stadion zu den Turnierspielen kommen, scheint darauf noch keine Antwort gefunden zu haben.

Die Nationalmannschaft hat es natürlich schwerer. Es gibt bei einem Turnier keine Stammbesetzung in der Kurve. Mal hat Kalle aus Krefeld ein Ticket bekommen, mal Alfred aus Alzey. Dieses Vakuum wird von zwei Seiten geflutet. Zum einen von der Industrie mit inszenierten Choreografien. Zum anderen von den lautesten Schreihälsen, die es ins Stadion geschafft haben, um dort mal den Ton anzugeben.

Auch die deutsche Nationalhymne wird mittlerweile im Fanblock dargeboten wie God save the Queen und die Marseillaise. Doch weil sich Haydns getragene Melodie nicht zum Schmettern eignet, klingt der Chor lächerlich trotzig. Jetzt sind wir auch mal dran. Das wird man ja wohl noch singen dürfen.

Es besteht aber auf jede Fall noch Hoffnung. Immerhin haben der Fanclub Nationalmannschaft und wir unabhängig voneinander denselben poetischen Titel für das Turnier gewählt: „Je t’EM“ heißt unser tägliches EM-Gedicht. Nach der Dichtung freuen wir uns also weiter auf die Wahrheit.

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