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Alles neu. Felipe Massa startet beim Großen Preis von Malaysia mit einem komplett anderen Auto als noch beim Saisonauftakt in Australien. Foto: AFP

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Sport: Ferrari sucht den Speed

Der Traditionsrennstall steckt in der Krise – bislang hat die öffentliche Kritik nur den Piloten Massa erfasst.

„Grande Casino“ – das ist das, was derzeit in Italien bei und rund um Ferrari abgeht. Überstürzter Rückflug der Teamführung von Australien nach Maranello, Krisensitzungen, hektische Änderungen jetzt, weitere geplante, wahrscheinlich ebenso hektische Änderungen für die Zukunft, um spätestens beim Europa-Auftakt der Formel 1 in Barcelona mit einem quasi neuen Auto zu kommen. Dazu eine italienische Presse, die sich erst mal auf das schwächste Glied in der Kette, auf Felipe Massa, einschießt, und dessen sofortige Entlassung fordert, vielleicht auch, um sich nicht sofort mit der grundsätzlichen Misere der traditionsreichen Scuderia auseinandersetzen zu müssen. Ferrari ist nicht irgendein Rennstall, die Italiener sind mit 216 Grand-Prix-Erfolgen sowie 15 Fahrer- und 16 Konstrukteurs-Weltmeisterschaften das erfolgreichste Team der Formel-1-Geschichte. Auch deshalb reagiert Italiens Presse so kritisch.

„Wahrscheinlich denken die, dass sie so mehr Zeitungen verkaufen“, sagt Massa und versucht das Ganze ironisch zu kommentieren, um sich gar nicht erst auf ernsthafte Diskussionen zu dem Thema einlassen zu müssen. „Ich kenne das ja schon, ist doch jedes Jahr dasselbe.“ Wobei der Brasilianer natürlich auch immer wieder Munition liefert – nicht nur, weil er beim ersten Rennen in Australien hinter Fernando Alonso lag, der ja auch nur Fünfter wurde. Das aber mit einer persönlichen fahrerischen Glanzleistung, mit der er mehr aus dem Auto herausholte, als eigentlich drinsteckte. Mag ja sein, dass mit seinem Auto irgendetwas nicht stimmte. Denn beim Testen waren die Differenzen zwischen den beiden Piloten nicht so groß.

Ferrari tauscht jetzt für Malaysia das komplette Auto. Dass so gar nichts mehr vom Melbourne-Auto zum Einsatz kommen soll, ist sicher einer gewissen Ratlosigkeit geschuldet. Vielleicht ist es aber auch der Versuch von Beruhigungspsychologie. Von Massa heißt es, dass er oft viel zu emotional reagiere, womit er sich selbst und einer effizienten Arbeitsweise im Weg stehe.

Wer den Brasilianer am Sonntag in Melbourne erlebte, völlig aufgelöst, in einer Mischung aus Frust und Panik, der kann sich schwer vorstellen, dass er da noch ein konstruktives Briefing abliefern konnte. Schon während der Wintertests wirkte Massa verloren, dann aber, als die Dinge plötzlich besser zu funktionieren schienen, wurde er über-optimistisch. Von einem Extrem ins andere, das hilft nicht weiter. Nicht umsonst mahnt Fernando Alonso immer wieder zu Ruhe und Besonnenheit.

Noch stellt sich die Ferrari-Führung, allen voran Teamchef Stefano Domenicali, hinter ihren Fahrer. Ein vorzeitiger Rausschmiss von Massa löst das grundlegende Problem nicht. Das Auto ist im Vergleich zur Spitze einfach zu langsam. Stefano Domenicali ist jedenfalls nicht zu beneiden. Noch scheint er sich in seiner Position nicht wirklich gefährdet zu sehen, aber er weiß natürlich auch: Wenn es nicht sehr bald deutliche Fortschritte gibt, etwa mit einem neuen, komplett überarbeiteten Auto in Bahrain oder Barcelona, von dem schon die Rede ist, dann wird sich das Trommelfeuer der öffentlichen Kritik sehr schnell auch auf ihn ausweiten. Und dann wäre die Frage, wie schnell Oberboss Luca di Montezemolo das Gefühl bekommt, reagieren zu müssen? „Irgendwann muss einer den Kopf hinhalten“, sagt der ehemalige Pilot Alexander Wurz, „und das ist dann der an der Spitze. Ich halte Domenicali für einen Spitzenmann – aber er alleine kann es auch nicht richten.“

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