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Sport: Feuerpausen für das Spiel

Die deutschen Basketballer treffen bei der WM heute auf Angola – ein basketballverrücktes Land

Bei jedem Korbleger, jedem getroffenen Wurf, jedem Ballgewinn seines Teams springt Cristiano Paciencia jubelnd von seinem Tribünenplatz auf – auch wenn die angolanischen Basketballer am Montag gegen Argentinien klar zurückliegen. Der 38-Jährige lacht, schreit und schwenkt die schwarzrote Flagge mit Angolas Wappen – Stern, Zahnrad und Machete – über seinem Kopf. Rund um das winzige angolanische Fanblöckchen stimmen die türkischen Zuschauer in der Kadir-Has-Arena von Kayseri in seinen „An-go-la, An-go-la“-Schlachtruf ein. Paciencia strahlt über das ganze Gesicht. „Unsere positive Energie macht uns eben sympathisch“, sagt der Rechtsanwalt aus Luanda. Er wird auch heute wieder in der Halle sein, wenn Angola bei der WM (18 Uhr, live bei Sport1) im vorentscheidenden Gruppenspiel auf Deutschland trifft.

In der Türkei ist Angola Außenseiter, auf dem afrikanischen Kontinent sind die Basketballer des Landes seit Jahren fast unschlagbar. Zehn der vergangenen elf Afrika-Meisterschaften haben die Angolaner gewonnen, fünfmal in Folge sind sie bei Olympischen Spielen angetreten, angolanische Mannschaften wie der Armeeklub Primero de Agosto dominieren die afrikanischen Vereinswettbewerbe. Bei der WM 2006 in Japan benötigte das deutsche Team drei Verlängerungen und 47 Punkte von Dirk Nowitzki, um Angola 108:103 niederzuringen. Joaquim Gomes hielt damals mit 21 Punkten dagegen, in der Türkei spielt der Power Forward sein drittes WM-Turnier für Angola. „Es bedeutet uns sehr viel, hier zu sein“, sagt der 29-Jährige, „alle Angolaner lieben Basketball.“ Die Partien seines Teams werden zu Hause immer live im Fernsehen übertragen, früher gab es im Bürgerkrieg Feuerpausen, wenn das Team spielte. Gomes hat früher in der Bundesliga für Köln gespielt, inzwischen steht er wieder in der Heimat unter Vertrag, wie alle seiner Mitspieler. Auch dort kann man gut verdienen, selbst wenn es unter den zwölf Teams der ersten Liga nur ein paar gibt – den Armeeklub, den Polizeiklub, die Teams des staatlichen Ölkonzerns und der staatlichen Fluglinie –, die professionell arbeiten und sich sogar amerikanische Spieler leisten.

Für die Fans, die sich nicht wie Anwalt Cristiano Paciencia einen Flug in die Türkei für mehrere tausend Dollar leisten können, baut Arlindo Macedo jeden Morgen auf einem Hotelparkplatz in Kayseri ein provisorisches Radiostudio mit Laptop und Mikrofon auf. Der 51 Jahre alte Journalist berichtet seit 1979 über das Team und weiß, was Angola von anderen afrikanischen Teams unterscheidet. „Bei uns gibt es professionelle Strukturen und eine richtige Basketballkultur“, sagt Macedo. „Dabei sind wir für den Sport eigentlich ungeeignet.“ Weil Angolaner eher klein und schmal sind – keiner der Spieler im WM-Kader ist größer als 2,06 Meter –, ist schon in der Trainerausbildung am nationalen Sportinstitut festgelegt, dass alle angolanischen Mannschaften schnell spielen, hart verteidigen und gut aus der Distanz werfen sollen. Um die Kondition der Spieler zu fördern, beträgt die Spielzeit in der Liga 48 Minuten anstatt der international üblichen 40. Bisher hat die Mannschaft bei der WM aber nicht überzeugt, zum Auftakt wurde sie von Serbien mit 44:94 vorgeführt. „Wir hatten eine katastrophale Vorbereitung“, sagt Gomes, „nur fünf Testspiele in fünf Wochen.“

Angolas wirtschaftlicher Aufschwung und die damit einhergehende Korruption machen auch vor seinem Sport nicht halt. Vor dem Flug in die Türkei weigerten sich die Spieler, ihr Übergepäck selbst zu bezahlen, weil Prämien des Verbands ausstehen. Radioreporter Macedo sagt, Sponsorengelder in Höhe von drei Millionen Euro seien unauffindbar, die Stimmung in der Kabine schlecht und das Team außer Form. „Die Spieler werden genau dann fit sein, wenn sie wieder abreisen.“ Mit einem Sieg gegen Deutschland allerdings wäre das Achtelfinale zum Greifen nahe.

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