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Fia-Präsident: Wie Obama gegen das Ancien Régime

Ari Vatanen und Jean Todt wollen Fia-Präsident werden. Bei der Wahl, die am Freitag in Paris getroffen wird, geht es auch um die Frage: Revolution oder Restauration?

Berlin - Für Jean Todt fand Ari Vatanen nur lobende Worte. „Jean ist kein Diktator“, erklärte der Finne. „Ganz im Gegenteil: Er ist ziemlich locker und weiß, dass man auch auf andere hören muss.“ Das war Ende der 1980er Jahre, als der einstige Rallye-Weltmeister Vatanen seinem früheren Teamchef Todt in seiner Autobiografie schmeichelte. Nun, mehr als 20 Jahre später treffen sich die beiden wieder: Am heutigen Freitag kandidieren sie für das Präsidentenamt des Automobil-Weltverbands (Fia), das Max Mosley nach 18 Jahren freigibt. Diesmal allerdings ist der Ton nicht ganz so freundlich.

Wenn die 221 Fia-Mitgliedsorganisationen aus 132 Ländern – darunter Straßenverkehrs-, Motorsport- und sogar Campingklubs – in Paris ihre Wahl treffen, geht es bei der Frage Vatanen oder Todt auch darum: Revolution oder Restauration? Der 57-jährige Vatanen geriert sich als Erneuerer eines überkommenen und von Skandalen erschütterten Systems und will „Wandel, Demokratie und Transparenz“ in der Fia herbeiführen, um den „großartigen Motorsport und die Mobilität in all ihrer Vielfalt neu zu beleben“. In seinem Wahlkampf , den er selbst nicht nur wegen des entlehnten Mottos „Together we can“ gern mit dem Barack Obamas vergleicht, kündigte er an, der Fia „ihren erhabenen Status zurückzugeben, den sie verdient“ und alte Seilschaften zu durchtrennen: „Es ist eine Art Mini-Revolution.“

Sein Widersacher hat mit Revolutionen wenig im Sinn. Jean Todt steht anders als einst von Vatanen behauptet zumindest seit seiner Zeit als Chef des Formel-1-Teams Ferrari sehr wohl im Ruf, ein Autokrat zu sein. Zwar verspricht auch der Franzose „Erneuerung und Innovation“, doch wohl in der gemäßigten Version. Sein Hauptanliegen dürfte die Sicherung der Pfründe sein, etwa die „Verteidigung des Rechts auf sichere, nachhaltige und preiswerte Mobilität“.

In der Formel 1 jedenfalls gilt Todt vielen als Vertreter des Ancien Régime Mosley. Schon zu seiner Ferrari-Zeit kooperierte der Taktiker sehr gut mit dem alten Fia-König und zog sich deswegen den Unmut der übrigen Grand-Prix-Szene zu. Kein Wunder, dass diese mit Ausnahme von Ferrari und dem Formel-1-Chef und Mosley-Freund Bernie Ecclestone nahezu geschlossen hinter Vatanen steht. Teams und Fahrer befürchten nämlich, die Fia würde unter Todt ähnlich autoritär auftreten wie zuletzt unter dem streitbaren Briten. Eine nicht unbegründete Angst, schließlich kündigte Todt bereits an, Mosleys „kompetente und zukunftsweisende“ Arbeit wie den harten Sparkurs in der Formel 1 im Sinne seines Vorgängers weiterführen zu wollen. Wohl auch deshalb ließ sich der scheidende Präsident dazu hinreißen, Todt den Fia-Mitgliedern als seinen Nachfolger ans Herz zu legen. Vatanen unterstellte Mosley daraufhin, Todts Kampagne zu finanzieren und prangerte die seiner Meinung nach nicht geheime Wahl an.

Wie nicht selten in der Historie sind jedoch auch in diesem Fall die Grenzen zwischen Revolution und Restauration nicht ganz klar auszumachen. So glänzte der vermeintliche Erneuerer Vatanen in der Vergangenheit mit den Worten, der Klimawandel sei „eine Erfindung der Grünen“ und „der größte Hype seit dem Stalinismus“, während Todt aktiv gegen Erderwärmung und Klimawandel angehen will. Und es kommt auch nicht von ungefähr, dass Vatanen den Entwicklungsländern besondere Aufmerksamkeit verspricht: Er weiß, dass deren zahlreiche Stimmen wahlentscheidend sind. Mosley hatte nicht zuletzt mit ihrer Hilfe 2008 das Misstrauensvotum nach seinem Sexskandal überstanden. Auf einen „Stimmenkauf durch ungehörige Absprachen“ will Vatanen jedoch verzichten, denn: „Ich bin Idealist.“ Am Freitag wird sich zeigen, ob das auf dem Weg zur Fia-Präsidentschaft eher ein Vorteil oder ein Nachteil ist.

Christian Hönicke

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