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Kontrahenten unter sich. Bin Hammam (links) und Joseph Blatter.

© pixathlon

Fifa: Die Sonne sucht sich einen König

Im Kampf um die Weltherrschaft im Fußball hat Fifa-Chef Blatter mit Bin Hammam einen Gegner, der die WM nach Katar geholt hat.

Die Sonne flutet durch das Glasdach des prachtvollen Grand Palais in Paris, der Stadt, die den Frühling schon warm zelebriert wie einen ersehnten Neuanfang. Der strahlende Schein fällt auch auf die Halbglatze von Mohammed Bin Hammam, seine goldene Uhr wirft das Licht zurück, als der Fußballfunktionär aus Katar zu schwärmen beginnt von „einem neuen Wind und frischer Luft“. Asiens Fußballchef will selbst ein Neuanfang sein.

Die anderen Sportfunktionäre, die sich am Ufer der Seine treffen, haben sich zur Mittagspause zurückgezogen – darunter Joseph S. Blatter, der am 1. Juni von der Spitze des Weltverbandes Fifa brechen könnte. Ein steinreicher Katarer, der gerade die WM 2022 gegen alle Logik in sein Miniland lotste, ist ein starker Gegner. Bin Hammam hat dem seit 1998 allein regierenden Blatter seine Kampfkandidatur vor die Füße geworfen und sammelt nun eifrig Stimmen, auch beim Kongress des europäischen Fußballverbands Uefa in Paris. Und im Pausengespräch sagt er Sätze, die Blatter weh tun, auch wenn er nicht dabei steht. „Die Fifa ist nicht transparent genug“, meint Bin Hammam. „Wir müssen unsere Entscheidungen vorher eingehend prüfen, nicht erst hinterher.“ Die vom Kopfschütteln der Fußballnationen begleitete Vergabe der WM an sein Land, das bislang kein Stadion, keine Fußballkultur, dafür aber kaum erträgliche Hitze zu bieten hat, meint Bin Hammam damit nicht.

Die skandalumwitterte Vergabe der Turniere 2018 und 2022 an Russland und Katar war also nur der Auftakt zu globalen Machtkämpfen, die vor allem mit Geld entschieden werden dürften. Bin Hammam kennt sich in diesem Business bestens aus, schließlich verteilte er einst für Blatter so genannte Entwicklungshilfe in Asien und Afrika und kam mit Wahlstimmen für den Schweizer zurück. Nun stellt sich der Helfer gegen den bisherigen Sonnenkönig, was diesen in Paris zu den bettelnden Worten veranlasst: „Geben sie mir noch vier Jahre – ich verspreche, es werden die letzten sein.“ Dieses Versprechen hatte Blatter den Delegierten schon mehrmals gegeben. „Lassen Sie uns das Abenteuer zu Ende führen, das wir begonnen haben“, fordert Blatter, erklärt aber nicht weiter, was er damit meint. Für den Tausendsassa aus dem Wallis handelt es sich wohl eher um ein persönliches Abenteuer: Auch die erste WM in Afrika hat dem Mann, dessen Familie der Fußball ist, bislang nicht den erhofften Friedensnobelpreis eingebracht. Zu schwer wiegen die Korruptionsvorwürfe gegen die Herren, die Blatter immer wieder wählen und die er höchstens halbherzig verfolgt.

Bin Hammam dagegen hat Glück. Er proklamiert das Thema Transparenz für sich, zumindest nach außen, und weiß, was allemal wichtiger ist: mächtige Freunde im Rücken. So hat er sich mit dem Südkoreaner Chung-Mong Joon verbündet, dem milliardenschweren Sohn des Hyundai-Gründers. „Das wird ein knappes Rennen“, prophezeit ein Strippenzieher unter dem glitzernden Glasdach. Wie unter einem Brennglas zeichnen sich in Paris die Frontstellungen im Kampf um die Weltherrschaft im Fußball ab: In Asien wird eine Mehrheit für den Herausforderer erwartet, auch in Afrika genießt er erheblichen Rückhalt. Während Südamerika eher zu Blatter neigt, ist die Schlacht in Nordamerika gänzlich offen. „Hier kann sich alles entscheiden“, sagt ein Insider. Schon einige wenige Gegenstimmen aus Europa könnten Blatter da sehr weh tun. Zwar steht sein Ziehsohn Michel Platini, der in seiner französischen Heimat ohne Gegenkandidaten in eine zweite Amtszeit als Uefa-Präsident ging (siehe Kasten), in Treue zu ihm. Für Platini, der sich in Europa für das große Ganze warmläuft, käme eine Kandidatur jetzt zu früh. Aber vielleicht kann er gar nicht warten: Insbesondere die Engländer sind nach der WM-Vergabe, die einer Verhöhnung des Fußball-Mutterlandes gleichkam, wütend auf Blatter und könnten andere an der Seite haben, die Rechnungen offen haben.

Franz Beckenbauer, der eine Art Frühwarnsystem für Regungen im Fußball in sich trägt, prophezeit heftige Spannungen in der Fifa, „und Spannungen tun dem Fußball nicht gut.“ Rechtzeitig zieht sich Beckenbauer aus der Fifa zu seiner Familie zurück, DFB-Präsident Theo Zwanziger übernimmt seinen Platz in den internationalen Gremien. Beckenbauer hat mit 65 Jahren das richtige Alter gefunden, um in Rente zu gehen.

Blatter hat gerade seinen 75. Geburtstag gefeiert und sucht den Zeitpunkt eines würdigen Abgangs noch. Daher ist es wohl kein Zufall, dass sein Konkurrent Bin Hammam beim Pausengespräch in der Sonne noch schnell betont, dass er bei seiner Wahl 62 Jahre alt wäre – jung genug, um der tattrigen Fifa einen neuen Frühling zu bescheren. Dann schaut er auf seine goldene Uhr und verabschiedet sich zum Stimmen sammeln. Die offenen Hände der Fußballfamilie warten schon auf ihn.

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