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Schweinsteiger verzögert beim seinem Elfmeter, Cech ahnt die Ecke. Doch am Ende ist es der Pfosten, der den Weg des Balles ins Tor verhindert.

© dpa

Finaldrama in der Champions League: Der FC Bayern und die Winzigkeiten des Fußballs

Es sind die Details, die einem großen Spiel die Entscheidung bringen. Dass die Bayern im Finale der Champions League gegen den FC Chelsea die bessere Mannschaft waren, spielte keine Rolle. Sondern die Kleinigkeiten.

Zwei Minuten, diese zwei vermaledeiten zwei Minuten. Damals 1999 in Barcelona spielte sich der FC Bayern gegen Manchester United in den letzten zwei Minuten des Finales der Champions League um Kopf und Kragen. Diesmal fehlten wieder nur zwei Minuten zum Glück, zum absoluten Glück, dem ein Taumel folgen sollte, eine rauschhafte Nacht zur Entschädigung für all die geplatzten Träume dieser Saison. Dann kam Didier Drogba. Leicht hätte dieser Drogba zur tragischen Figur dieses Spiels werden können, nachdem er erst die Verlängerung erzwungen hatte und dann kurz nach Wiederanpfiff Franck Ribéry elfmeterwürdig foulte.

Aber die Geschichte dieses Spiels sah eine andere Wendung vor. Arjen Robben, der sich zum Rächer des Gefoulten aufschwang, vergab. Und Drogba am Ende des Elfmeterschießens nicht. Damals in Barcelona war wie diesmal in der Münchner Arena der Wende des Spiels eine Auswechslung voran gegangen. In Barcelona verspürte Lothar Matthäus plötzlich, dass sein Muskel zugemacht hatte, was immer das hieß, er nannte es so, und ließ sich aus dem Spiel nehmen. Diesmal verließ Thomas Müller, der mit seinem Kopfballtor in der 83. Minute den Rausch in greifbare Nähe rückte, vorzeitig das Feld.

Die schönsten Szenen vom Finale in München in unserer Bildergalerie:

Warum? Warum gab Trainer Heynckes die offensive Orientierung auf und beorderte stattdessen den gerade erst genesenen Innenverteidiger Daniel van Buyten in die Defensive? Der dann auch nicht verhindern konnte, dass Drogba dem Unheil eine Richtung gab? Müller habe signalisiert, dass er raus wolle, sagte Heynckes hinterher, Wadenprobleme plagten ihn schon des Öfteren. Und die waren so groß, dass sie nicht noch drei Minuten auszuhalten gewesen wären? Drei Minuten, in denen Müllers Brust zur Heldenbrust angeschwollen sein musste des Tores wegen, drei Minuten, in denen ihm das Adrenalin durch den gewiss geschundenen Körper geschossen sein muss?

Schweinsteiger ließ sich auch vom Bundespräsidenten nicht trösten

Es sind die Details, die Winzigkeiten, die einem solchen Spiel die Entscheidung schenken. Dass die Bayern über die gesamte Zeit die eindeutig bessere Mannschaft gewesen waren, nein, das hatte nichts entschieden. Sondern die Kleinigkeiten, die drei Minuten der verhärteten Wade Müllers, die paar Zentimeter, die Franck Ribéry Mitte der zweiten Halbzeit im Abseits stand, der Zentimeter, der fehlte, als Petr Cech den Schuss von Robben im ersten Abschnitt mit dem Arm an die Latte lenkte oder das kurze Verzögern von Bastian Schweinsteiger bei seinem an den Pfosten geschobenen Elfmeter. Der hatte nach dem Triumph von Madrid erzählt, dass ihm auf dem Weg zur Vollstreckung kurzzeitig „die Eier“ verloren gegangen waren. Nun sah man schon beim Anlauf, dass ihm zumindest das Herz in die Hose gerutscht war. Ein paar Zentimeter, und wenn sie sich zu Gunsten des sonst so nervenstarken, coolen Schweinsteiger entschieden hätten, wäre er auch heute noch der supercoole Schweini. Er schlich aber geprügelt vom Feld, apathisch, schuldbeladen, er wird wahrscheinlich nicht einmal bemerkt haben, dass ihm Bundespräsident Joachim Gauck die tröstende Hand hinhielt.

Reaktionen zum Spiel in unserer Fotostrecke:

Ach, es hätte Geschichten gegeben aus diesem Spiel, die jede für sich zur Legendenbildung getaugt hätte. Die Geschichte von Manuel Neuer, der erst einen Elfmeter hielt, dann einen selbst verwandelte. Oder die von Robben und Ribéry, die ihre, nun ja, Freundschaft hintan stellten, und sich abarbeiteten für den FC Bayern, für den Rausch der Glückseligkeit. Oder die von Diego Contento und Anatoli Timoschtschuk, die nur zweite Wahl waren, das aber nicht zeigten. Und auch die von Jerome Boateng wäre es wert gewesen erzählt zu werden, der Didier Drogba nur ein einziges, winziges Mal nicht im Griff hatte, leider das entscheidende Mal. Nur eine Geschichte, die simpelste und gleichzeitig schwierigste des Fußballs, die kann man nicht schreiben: die von erzielten Toren.

Es saß hinterher ein vergleichsweise entspannter Trainer Jupp Heynckes im großen Saal der Münchner Arena. Und sagte, was gesagt werde muss. Nämlich, dass sie nicht am Destruktivismus des FC Chelsea gescheitert waren, „das ist ihre Spielweise, das wussten wir vorher, darin haben sie große Klasse“, gescheitert seien die Bayern, weil „wir es nicht vermochten, unsere zahlreichen Chancen zu verwerten“. Und daran, dass sie es nicht vermochten, den kleinen Vorsprung nur noch eine winzige Zeit ins Ziel hinein zu retten. Zwei Minuten, zwei vermaledeite Minuten.

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