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Reife Jubeltrauben. Die Eisbären und ihre knapp 500 mitgereisten Fans feiern in Düsseldorf einen Sieg der Erfahrung. Foto: dpa

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Finaleinzug: Die Eisbären und die Erfahrung

Ihre Mentalität und ihre Routine führt die Eisbären Berlin ins Finale um die deutsche Eishockeymeisterschaft gegen den EHC Wolfsburg.

Von Katrin Schulze

Den wichtigsten Mann hätten sie beinahe vergessen. Da rollte der Mannschaftsbus nach getaner Arbeit vom Feld, und Rob Zepp rannte hinterher. Zum Glück winkte er in seinem schwarzen Trainingsanzug auffällig genug, um gerade noch rechtzeitig entdeckt zu werden. Der Bus stoppte also, sammelte den Nachzügler ein und die Eisbären fuhren mit ihrem Torhüter zusammen in die Düsseldorfer Nacht hinein. Die Aktion mit Zepp sollte die einzige Unachtsamkeit der Berliner an diesem Dienstagabend bleiben, der für sie ansonsten perfekt verlaufen war. Beim 3:1-Erfolg in Düsseldorf absolvierten sie „das als Team bisher beste Spiel in den Play-offs“, wie Torwart Zepp es sagte, nachdem er längst wieder in den Mannschaftskreis aufgenommen war: „Es war ein ganz großer Sieg.“

Ein Sieg, der die Eisbären in das am Freitag beginnende Finale um die deutsche Eishockeymeisterschaft gegen den EHC Wolfsburg beförderte. Dabei war das erstaunlichste gar nicht mal die Tatsache, dass sie es mal wieder – zum sechsten Mal innerhalb der vergangenen acht Jahre – soweit geschafft haben, sondern auf welche Weise es dazu gekommen ist. Im Moment der vermeintlich größten Anspannung traten die Berliner bei der Düsseldorfer EG so locker und gelöst auf, dass man annehmen durfte, sie spielten gerade irgendein Testspiel gegen Straubing, Iserlohn oder Posemuckel. Und irgendwie taten sie das ja auch. „Ganz ehrlich“, sagte der 29 Jahre alte Torhüter, „ich habe mir überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, dass es das fünfte und entscheidende Halbfinalspiel ist. Wenn man das getan hätte, wäre man ja verrückt geworden.“

Rob Zepp war am Dienstag weit davon entfernt durchzudrehen. Im finalen von fünf Aufeinandertreffen mit der DEG blieb er ebenso gefasst wie souverän – und personifizierte damit das Auftreten seiner Eisbären. Nachdem sie einen 0:1-Rückstand ausgeglichen hatten, erweckten sie nie den Eindruck, dass sie diese Partie noch verlieren könnten. Doch warum nur? Warum passte plötzlich auch das, womit die Berliner bislang so ihre Problemchen hatten? Ihr erstes und einziges Überzahlspiel der Begegnung funktionierte wie aufgezogen, und die Abwehr blieb zu jeder Zeit beherzt bis besonnen. Zur Erklärung dieses Phänomens verweist der Trainer gerne auf die mentale Stärke seiner Mannschaft. „Wir sind immer fokussiert geblieben“, sagt Don Jackson. Dass der Kopf seiner Berliner Profis in der Endrunde so hervorragend mitspielt, hat durchaus System.

„Spiel für Spiel, Drittel für Drittel, Wechsel für Wechsel“, so beschreibt Jackson die Denkweise seines Teams. Oder kurz gesagt: Bloß nicht zu viel vorausplanen! Während sich Düsseldorf nach dem 3:3 in der regulären Spielzeit am vergangenen Sonntag womöglich schon im Endspiel wähnte, haben es die Berliner irgendwie geschafft, nur an den nächsten Treffer zu denken – mit Erfolg. Jackson glaubt: „Unser Tor in der Verlängerung von Spiel vier war der Schlüssel in dieser Serie.“ Ab diesem Moment kehrte das Selbstverständnis der Eisbären, der Glaube, jede noch so knifflige Situation allein durch die Attitüde lösen zu können, in sein Team zurück.

Genau diese Einstellung übertrugen sie auch aufs Düsseldorfer Eis, wo sie nach Angaben ihres Trainers „diesmal auch die Kleinigkeiten richtig gemacht haben“, und auf die kommt es eben an, wenn sich Teams wie Düsseldorf und Berlin auf einem annähernd gleichen Niveau begegnen. Da nahmen Spieler wie Daniel Weiß eine Oberschenkelprellung in Kauf, damit der Puck sie ja nicht passiert, und da kämpfen die Profis in den Ecken als ginge es um ihr Überleben.

Es würde der Leistung der Berliner nicht gerecht werden, den Finaleinzug an einem einzelnen Spieler festzumachen, dazu präsentierten sie sich zu geschlossen. „Ich muss der ganzen Mannschaft ein Kompliment machen“, sagte Rob Zepp. „Wir alle haben sehr clever gespielt.“ Zufall ist es jedenfalls nicht, dass die Berliner zum fünften Mal in der fünften Play-off-Serie gegen die DEG als Sieger vom Eis fuhren. Nicht zum ersten Mal hat ihre Einstellung dabei gesiegt – auch so etwas lässt sich offenbar trainieren. „Dass wir alle schon lange zusammenspielen und jede Menge Erfahrung in den Play-offs haben, hat sich ausgezahlt“, findet Kapitän Stefan Ustorf. Und: „Zu irgendetwas muss das Altern ja gut sein.“

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