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Finalist Japan: Überrascht vom eigenen Erfolg

Die Japanerinnen sind das spielerisch beste Team des Turniers. Von ihrem Erfolg sind sie selbst so überrascht, dass sie bis zum Finaleinzug nicht einmal eine Prämie ausgehandelt hatten.

Dass sich die Weltpresse mal derart für ihre Fingernägel interessieren würde, hätte Nahomi Kawasumi wohl nicht erwartet. Strahlend hielt die 25-Jährige ihre ausgestreckten Hände in diverse Fernsehkameras und erklärte diese kleinen Kunstwerke in allen Details. Mit einer türkisen Glitzerschicht unterlegt hat Kawasumi dort unter anderem ihre Rückennummer 9 und die japanische Flagge aufmalen lassen. Und auf einem Nagel steht mit einem Herz verziert: „I love Football“. Das gilt seit Mittwochabend wohl mehr denn je. Zwei Tore trug Kawasumi zum 3:1-Sieg der Japanerinnen gegen Schweden bei und sorgte so dafür, dass ihre Mannschaft zum ersten Mal ein WM-Finale erreichte.

Kawasumi ist nicht die Einzige, die durch Fingernagelmalerei auffällt. Natürlich haben alle 21 Spielerinnen ihre Nägel kunstvoll verziert – wie sollte es anders sein bei dem Team, das bei dieser WM die stärkste Mannschaftsleistung zeigt. Das Leid vieler Japaner durch die Erdbebenkatastrophe gibt Trainer Norio Sasaki und seinen Fußballerinnen zusätzliche Motivation. Nach jedem Spiel tragen sie das große Spruchband mit der englischen Aufschrift „An unsere Freunde auf der ganzen Welt – danke für die Unterstützung“ über den Rasen.

Damit allerdings ist nur ein Teil des Erfolgs erklärt. Der weit größere liegt darin begründet, dass die kleinen Japanerinnen allen anderen Mannschaften technisch überlegen sind. Sie zeigen eine Ballsicherheit wie kein anderes Team. Sie sind äußerst laufstark, taktisch raffiniert und beherrschen zudem das schnelle Kurzpassspiel in Perfektion. „Das lernen wir in Japan von klein auf“, sagte Kozue Ando, Mittelfeldspielerin beim FCR Duisburg. „Weil wir wissen, dass wir physisch nicht so stark sind wie die anderen.“ Die Japanerinnen sind im Durchschnitt 1,63 Meter groß, die zweifache Torschützin Kawasumi sogar nur 1,57. „Wir sind körperlich klein, das heißt, wir müssen den Ball rotieren lassen“, erklärt Norio Sasaki, dessen mildes Lächeln irgendwo zwischen Weisheit und Genugtuung liegt. „Wir müssen eine gute Teamleistung bringen, sonst können wir international überhaupt nicht mithalten.“ Sein Plan gegen Schweden war folglich ganz einfach: Ball flach halten. „Daran haben wir uns gehalten“, sagte Mittelfeldspielerin Aya Miyama.

Die Geschlossenheit der Japanerinnen zeigt sich vor allem in der kollektiven Verteidigung, welche die Offensivarbeit der Schwedinnen fast vollständig zum Erliegen brachte. Die einzige Torchance, die zum 1:0 für Schweden führte, entstand durch einen Fehler von Homare Sawa. „Japan war einfach die bessere Mannschaft“, sagte Schwedens Trainer Thomas Dennerby. „Wir waren eigentlich nur 30 Minuten im Spiel.“

Denn trotz des frühen Rückstands behielten die Japanerinnen ihre „seelische Ruhe“, wie es Miyama ausdrückte. „Wir haben uns gesagt: Wenn wir weiter das machen, was wir trainiert haben, werden wir gewinnen.“ So einfach kann Fußball sein. Sasakis Idee, Nahomi Kawasumi von Beginn an spielen zu lassen, war ein weiterer seiner brillanten Schachzüge. „Wir wollten die Schwedinnen im Mittelfeld unter Druck setzen, damit die Abwehr nicht überlastet wird“, sagte Sasaki. Er habe Kawasumi gebeten, viel zu laufen und nach vorne und hinten mitzuarbeiten. „Aber ich habe sie nicht gebeten, auch noch zwei Tore zu machen“, fügte er grinsend hinzu. „Das war wirklich eine sehr gute Leistung von ihr.“

Kawasumi selbst hatte ihren Ausgleichstreffer gar nicht mitbekommen. „Ich bin umgefallen“, sagte sie. „Dann kamen plötzlich alle zu mir und jubelten.“ Anders bei ihrem gedankenschnellen Heber zum 3:1-Endstand. „Ich habe die Torhüterin kommen sehen und wusste gleich, dass das eine große Chance ist.“

Eine noch viel größere Chance wartet nun auf die Japanerinnen, die sich mit ihrem fairen und ansehnlichen Spiel längst in die Herzen des Publikums gespielt haben – obwohl sie den Gastgeber im Viertelfinale rausgeworfen haben. Spätestens seit dem Halbfinale gegen Schweden aber ist allen klar, dass das nicht nur an den Hemmungen der Deutschen lag.

Trotzdem wird es gegen die USA, die mit ihrer körperlichen Wucht einen Gegensatz zum japanischen Spiel bilden, ein ganz schweres Finale. „Das Spiel gegen Deutschland war für uns vom Gefühl her schon wie ein Finale“, sagt Sasaki. „Insofern wird das echte Finale nun vom Druck und der Einstellung nicht anders.“

Eine Frage allerdings hatte der Perfektionist vergessen zu klären. Was bekommen seine Spielerinnen eigentlich, falls sie am Sonntag den Titel gewinnen? „Ach, unser Präsident war im Stadion, ich sollte ihn vielleicht mal fragen, oder?“, sagte Sasaki. „Wir denken nicht ans Geld, aber vielleicht wäre eine Uhr etwas?“ Der japanische Fußball-Verband korrigierte das allerdings am Donnerstag: Im Falle eines Sieges erhält jede Spielerin gut 13 000 Euro, für den zweiten Platz gäbe es knapp 9000 Euro.

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