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Sport: Flach, hoch, halbhoch – egal

Fredi Bobic hat bei Hertha bislang enttäuscht, doch das liegt nur bedingt an ihm: Die Mannschaft spielt an seinen Stärken vorbei

Von André Görke

und Stefan Hermanns

Berlin. Profi-Fußballer – so behaupten böswillige Menschen – legen großen Wert auf Statussymbole. Wer hat das dickste Auto? Wer trägt die schicksten Designerklamotten? Und manchmal geht es auch nur darum, wer den besten Parkplatz bekommt. Bei Hertha BSC war das bis zum Ende der vorigen Saison Michael Preetz. Der Kapitän durfte sein Auto direkt neben der Kabinentür abstellen, und als Preetz dann im Mai seine Karriere beendete, gab es gleich mehrere Bewerber für den freien Platz. Bekommen hat ihn Fredi Bobic.

Wenn man es ein wenig überspitzt formulieren wollte, könnte man sagen: Nie war Fredi Bobic wertvoller für den Berliner Fußball-Bundesligisten als vor der Saison. Seitdem er aber für Hertha spielt, hat die Wertschätzung deutlich nachgelassen. Inzwischen hat der Nationalstürmer sieben Bundesligaspiele für seinen neuen Verein bestritten, doch Wellen der Euphorie löst Bobic in Berlin zurzeit nicht aus. Erst zwei Tore hat er erzielt, und das Fachblatt „Kicker“ führt ihn in der Rangliste aller Bundesligastürmer als fünftschlechtesten dieser Saison.

Am Sonntag gegen den HSV gab es eine Szene, in der Bobic andeutete, was ihn in der vorigen Saison mit 14 Toren für Hannover 96 zum zweitbesten deutschen Stürmer gemacht hat. Von der rechten Seite spielte Roberto Pinto den Ball halbhoch in den Strafraum, aus dem Hintergrund stürmte Bobic heran, sein Gegenspieler neben ihm, Bobic war schneller, und am Fünfmeterraum erwischte er den Ball mit dem rechten Fuß. Der Schuss ging knapp am Tor vorbei.

Stürmer müssen damit leben, dass sie nicht immer treffen. Gute Stürmer aber treffen beim zweiten Versuch. Nur hat es für Bobic am Sonntag keinen zweiten Versuch gegeben. Er ist kein Stürmer, der seinen Gegenspieler ausdribbelt, das kann man gut beobachten, wenn Bobic außerhalb des Strafraums angespielt wird: Anstatt den Ball anzunehmen, lässt er ihn oft durch seine Beine laufen, in der Hoffnung, dass ein Kollege hinter ihm mehr damit anzufangen versteht; Bobic hat andere Stärken. Er braucht Anspiele im Strafraum – flach, hoch, halbhoch – egal. Und wenn die Anspiele richtig kommen, braucht Bobic seinerseits nur einen Kontakt, um den Ball ins Tor weiterzuleiten. Nur: Solche Anspiele kommen nicht. Hoch und kraftlos sind die Flanken, nicht einmal hoch die Eckbälle. Bobic hat anfangs mehr Flanken gefordert, aber da das immer noch nicht klappt, sagt er jetzt, dass „es bisher keinen Lernprozess gegeben hat“. Mehr an Systemkritik ist von ihm nicht zu hören.

Stattdessen muss sich Bobic selbst kritisieren lassen. Nach dem 0:0 gegen Grodzisk warf Trainer Huub Stevens ihm vor: „Du stehst nur vorne rum und ackerst nicht nach hinten.“ Als ihn ein Journalist daraufhin ansprach, sagte Bobic: „Dann werde ich eben noch mehr nach hinten ackern.“ Und fing an zu lachen. Generell nehme er Kritik an, mit einer Ausnahme: „Ich mag kein Stammtisch-Niveau“, das sei zuletzt nämlich häufig der Fall gewesen. Bobic fragt dann sarkastisch: „Was hätten Sie denn gerne? Geldstrafen? Oder lieber Kopf abhacken?“

Bobic schwankt in seinen Äußerungen zwischen Demut („Wir müssen uns bei jedem einzelnen Zuschauer entschuldigen.“) und Wut. Als er nach dem Grodzisk-Spiel klagte, mit dem 2:2 in Bochum seien alle zufrieden gewesen, ärgerte sich Manager Dieter Hoeneß: „Wenn er das vorher gemerkt hat – wieso sagt er das nicht?“ Auch seine Äußerung nach der Niederlage gegen Hannover, dass der Abstiegskampf begonnen habe, gefiel nicht allen, weil die Aussage etwas zu dramatisch gewesen sei.

Bobic pflegt dieses Image bewusst. Er ist ein kritischer Geist, deswegen hat Hertha ihn geholt. Und weil seine Mitspieler wissen, wie der bald 32-Jährige ist, gibt es intern auch noch keine Kritik an ihm. Soll er doch weiterhin so offensiv auftreten, heißt es, er hat genug Erfahrung in seiner Karriere gesammelt, er darf sich das erlauben. Zuletzt hat sich Bobic zurückgehalten, auch deshalb, „weil im Training keiner schludert“, sagt er. „Außerdem haben wir genug geredet.“ Am Dienstag erst hat sich die Mannschaft zum Abendessen verabredet und sich das Champions-League-Spiel der Bayern angeschaut. „Wir können die Krise nur als Gruppe bewältigen – und wir sind eine Gruppe“, sagt Bobic. Manager, Trainer, Team stehen zusammen, die Stimmung ist nicht mal schlecht, und Bobic sagt, dass der Verein „sehr gut“ mit der Situation umgehe. Und Bobic hat schon viele Krisen erlebt.

Sein Auto übrigens stellt er in letzter Zeit immer etwas weiter weg vom Kabineneingang ab. Dieses Privileg wirkte nach Außen doch ein wenig albern.

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