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Sport: Flaneur mit Bäuchlein

Am liebsten schlägt Corrie Sanders Golfbälle, doch nun muss er gegen Witali Klitschko boxen

Los Angeles. Eigentlich spielt Corrie Sanders lieber Golf. Der Südafrikaner, der beim Boxen bevorzugt mit rechts hantiert, schlägt mit der Linken den Golfball schon mal 290 Meter weit. Er besitzt Handicap zwei und wollte mit den Profis schon einmal auf eine Tour in Südafrika gehen. Dann kam ihm etwas dazwischen: Der inzwischen 38-Jährige wurde zur eigenen Überraschung Boxweltmeister im Schwergewicht.

Die Geschichte ist bekannt. Als vermeintlich leichter Gegner wurde der ehemalige Polizist aus Pretoria für Wladimir Klitschko engagiert. Anfänglich wurde Sanders dieser Anforderung auch gerecht, vor gut einem Jahr erschien er in Hannover mit einem kleinen Bäuchlein zum Kampf. Doch dann langte er mit der Linken ein paarmal kräftig hin – und schon war er Champion nach Version der World Boxing Organisation, abgekürzt WBO. Man schrieb den 8.März 2003, als der Außenseiter den Riesen aus der Ukraine viermal umhaute und in der zweiten Runde durch Technischen K.o. besiegte. 13 Monate nach jenem denkwürdigen Kampf ist nun der große Bruder an der Reihe. Diesmal geht es gegen Witali Klitschko am Samstag im Staples Center von Los Angeles (2.40 Uhr live im ZDF, Kampfbeginn zirka 3.30 Uhr) um den wichtigsten Weltmeistertitel: Um den WBC-Gürtel und das Erbe Lennox Lewis’. Seit der Brite zu Beginn dieses Jahres zurückgetreten ist, ist dieser Titel vakant.

Sanders möchte sich nun auch diesen Gürtel um den üppigen Bauch schnallen. Zur offiziellen Pressekonferenz erschien er wie ein Flaneur am Strand von Santa Monica: Braungebrannt in seiner schwarzen Straußenlederjacke. Cool und selbstbewusst. Beim offiziellen Wiegen vor einem Shopping Center in Downtown Los Angeles schwenkte Corrie Sanders die südafrikanische Flagge, trat mit Turnschuhen, Jeans, Sweatshirt und Armbanduhr auf die Waage, und kam dadurch immerhin auf 106,5 Kilogramm. Er begrüßte Witali Klitschko, der acht Zentimeter größer ist und 111 Kilogramm wiegt, mit einem Augenzwinkern und hielt beim Augen-Duell dem Blick des Ukrainers sicher stand. Immerhin räumt er ein, dass der große Bruder ein schwerer Brocken sein wird. „Es sieht so aus, als sei Witali die härtere Herausforderung“, sagte Sanders.

Was den kräftigen, 1,94 Meter großen und tatsächlich 103 Kilo schweren Athleten freilich nicht an seinem Sieg zweifeln lässt. „Ich bin bereit, gehe in den Ring und gehe nach Hause als Champion.“ Obwohl er bis vor einem Jahr noch keine große Nummer war, ist sein Kampfrekord doch beachtlich: 39 Siege, 29 durch K.o., zwei Niederlagen. Noch ein-, zweimal will er als Weltmeister den Titel verteidigen. „Am liebsten gegen Mike Tyson, weil der Kampf das meiste Geld bringt.“ Danach möchte er nur noch Golf spielen. „Vielleicht sogar bei der Profi-Tour.“

Die lange Pause seit Hannover hat mit seiner Golf-Leidenschaft nichts zu tun. Er ist immer noch vertraglich an den deutschen Promoter Klaus-Peter Kohl gebunden, nachdem er eine Klage gegen den bestehenden Vertrag vor dem Hamburger Landgericht verloren hatte. Die WBO gewährte ihm keine freiwillige Titelverteidigung, sondern verlangte, sich pflichtgemäß dem offiziellen Herausforderer Lamon Brewster zu stellen, jenem Boxer also, der Wladimir Klitschko ebenfalls schwer K.o. schlug. Doch statt sich weiter durch den Vertrag knebeln zu lassen, legte er den WBO-Titel nieder, feuerte seinen Manager und ging anderen Geschäften nach. Nicht nur auf dem Golfplatz, sondern auch auf seiner 1800 Hektar großen Jagdfarm.

Golf spielen, sagt Corrie Sanders, hilft fürs Boxen. „Bei beiden Sportarten muss man sich unheimlich konzentrieren.“ Ein Grund mehr, demnächst wieder einen Golfplatz zu besuchen. Vorher aber stehen noch einige Runden im Boxring an.

Hartmut Scherzer

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