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FLANKE aus Spanien: Aus Tradition verfeindet

Julia Macher über fast unerklärliche Animositäten im spanischen Fußball

Wer den spanischen Fußball verstehen will, sollte nie die Ehrentribüne aus dem Blick verlieren. Denn dort spielen sich die wirklich bedeutsamen Szenen ab. Samstagabend zum Beispiel, beim Lokalderby RCD Espanyol gegen FC Barcelona (1:1), haben es die Chefs der rivalisierenden Klubs tatsächlich geschafft, über anderthalb Stunden lang Knie an Knie nebeneinander zu sitzen, ohne sich ein einziges Mal anzusehen, geschweige denn ein höfliches Wort miteinander zu wechseln. Espanyols Präsident Daniel Sánchez Llibre scherzte demonstrativ mit dem Herrn zu seiner Rechten, Joan Laporta zupfte pikiert an seinem Schal und guckte nach links. Dem „Barça“- Chef knurrte der Magen, denn sein gar nicht gastfreundlicher Gastgeber hatte das traditionelle Direktorenessen vor dem Spiel abgesagt. Man habe sich sowieso nichts zu sagen, so Sánchez Llibre.

Also trollte sich Laporta nach Abpfiff hungrig und schmollend nach Hause, nicht ohne seinem Amtskollegen ausgemachte „Kindsköpfigkeit“ bescheinigt zu haben. Mal wieder sind die Beziehungen zwischen den beiden Lokalrivalen auf dem Tiefpunkt. Warum genau, kann niemand so richtig erklären. Keiner glaubt wirklich, dass Espanyol dem großen Bruder immer noch wegen des vor zwei Jahren gescheiterten Transfers von Stürmer Javier Saviola grollt. Für die traditionelle Feindschaft gibt es nun mal keinen anderen Grund als eben – die Tradition der Feindschaft.

In einem Land, in dem Lokalrivalität zur Fußballfolklore gehört, ist das allerdings ein schlagkräftiges Argument, wie FC Sevillas Ex-Coach Juan de Ramos letzten Februar erfuhr. Beim andalusischen Lokalderby gegen Real Betis sank der Trainer, von einer gefüllten Wasserflasche getroffen, ohnmächtig zu Boden. Dem Wurf vorausgegangen war das albernste Ehrentribünenspektakel überhaupt. Um nicht neben Sevillas Präsident José María del Nido sitzen zu müssen, hatte Betis-Mehrheitseigner Manuel Ruiz de Lopera vor dem Lokalderby statt seiner selbst dort eine Bronzebüste platziert. Del Nido schäumte, die Betis-Fans jubelten und fühlten sich zur handgreiflichen Fortsetzung des Kleinkriegs animiert.

An dieser Stelle schreiben unsere Korrespondenten dienstags über Fußball in England, Spanien und Italien.

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