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Sport: Flanken für den Frieden

Bei der Antirassistischen Fußball-WM in Italien geht es um Spaß und eine bessere Welt

Montecchio . Silvio Berlusconi gefällt es vermutlich nicht ganz so gut, was sich momentan in Montecchio abspielt. 5000 Menschen aus aller Welt mit bunten Haaren und legerer Kleidung tummeln sich zurzeit in der Kleinstadt inmitten Italiens. Allerdings haben sich die jungen Leute nicht nur des Protestes wegen zusammengefunden – demonstriert werden soll zwar auch, aber vor allem auf dem Rasen. Die Touristen von Montecchio gehen der Lieblingssportart des italienischen Regierungschefs nach: Fußball. Wenn vielleicht auch nicht in der von AC-Milan-Präsident Berlusconi bevorzugten Manier. Kommerz, Professionalität und Ellenbogenmentalität sind bei der „Antirassistischen Fußball-WM“ verpönt. Bei der siebten Auflage kämpfen 168 Teams aus 40 Ländern weniger um Erfolg, es geht mehr um Spaß. Und um eine – ihrer Meinung nach – bessere Welt.

„Fußball wird geliebt und gehasst zugleich“, sagt Daniela Conti. Nichts eigne sich besser als Kommunikationsmittel zwischen Sport und Politik. Seit vier Jahren organisiert die aus Montecchio stammende Conti das Spektakel nahe Bologna. Sie hat die Veranstaltung im Laufe der Jahre mit inzwischen 150 Helfern vom überschaubaren Event fußballverrückter Linker aus den großen Ländern Europas zum größten alternativen Turnier des Kontinents gemacht. 80 Italiener, Deutsche, Briten und Franzosen spielten 1997 bei der Erstauflage ein paar Tage fröhlich vor sich hin. Sieben Jahre später kostet das Turnier 140 000 Euro und wird durch die Kommune, die Europäische Union und Spenden finanziert.

Den Titel Weltmeisterschaft trägt die „Mondiale Antirazzisti“ seit ihrem Anfangsjahr – auch wenn das vielleicht bei diesem Turnier nicht ganz so passen mag: Nach verweigertem Visum für ein Team aus Nigeria bleiben die Europäer dieses Jahr unter sich. Auf 14 Kleinfeldplätzen zweier örtlicher Sportvereine wird seit Donnerstag von morgens bis abends gekickt – sieben Spieler hat jedes Team. 20 Minuten dauern die Partien von Freizeitclubs wie Roter Stern Leipzig, Red Zombies West-Berlin, Humanitäre Aktion Schweiz oder Freak Boys Bologna. Ringsum ist eine riesige Zeltstadt aufgebaut. Dort gibt es Stände mit T-Shirts gegen Rassismus, Kapital, Nation und Nazis, eine Bühne für Punk- und andere Rockbands, und dann wird von hier aus die obligatorische Demo durchs Städtchen gestartet: Gegen Rassismus und für den Frieden in der Welt.

Weil es in der Vergangenheit bei dem Turnier auf dem Spielfeld nicht immer friedlich zuging, wurde der Leistungsgedanke eingedämmt: Nach Prügeleien im vorigen Endspiel werden die Finalrunden nun im Siebenmeterschießen entschieden, grobe Fouls kosten Punkte. Doch von Unfairness kann keine Rede sein. Vielleicht, weil fast die Hälfte der Teams gemischtgeschlechtlich ist. Vielleicht auch, weil man sich kennt.

Allein neun der 40 deutschen Teams stammen aus Berlin. Auf den Plätzen drei und fünf kommt am ersten Tag des Turniers fast Stadionatmosphäre auf, als sozusagen im Klubderby THC Franziskaner I und THC Franziskaner II um Punkte kämpfen – trotzdem bleiben alle entspannt. Kein Wunder, noch am Abend herrschen 30 Grad, und die soziale Kontrolle ist groß. Mindestens 50 Zuschauer säumen den löchrigen Rasen und bejubeln jede gelungene Aktion.

Zudem filmt ein Trio um Franziskaner-Chef Martin von der Abfahrt aus Berlin bis zum Torschuss jede Minute. „Mehr so für uns alle“, sagt der Produzent. „Aber vielleicht verkaufen wir den Film ja irgendwo.“ Immerhin taugt er auch als Gesellschaftsstudie. Denn so sehr der kleinste gemeinsame Nenner Antirassismus die Teilnehmer auch eint, so schnell bricht der normale Fan durch. Abends liefern sich Schalker, Rostocker und irgendwelche Briten verbale Gefechte mit nacktem Oberkörper, während in der Bar nebenan irische Fans die Biervorräte minimieren. Am nächsten Morgen sind alle wieder am Ball. Verkatert zwar, aber engagiert und fröhlich.

Silvio Berlusconi mag den Fußball kaputt machen, meint Daniela Conti. Aber Funktionäre wie er garantieren, dass die Mondiale Antirazzisti weiter wachsen wird. Mit den Planungen fürs nächste Jahr, sagt die Organisatorin, „beginnen wir gleich nach der Siegerehrung“.

Jan Freitag

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