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Sport: Flick für alle

Aus dem Hansi aus Mückenloch ist Hans geworden, der zweitwichtigste Trainer des Landes

Im großen Kreis fiel der Neue nicht auf. Rote Jacke, rote Stutzen – Hans-Dieter Flick kam wie alle anderen in der Kleidung der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zum Abendtraining ins Amateurstadion des VfB Stuttgart. Das Wort führte Bundestrainer Joachim Löw, sein neuer Assistent Flick redete dann zwar ebenfalls ein paar Sätze, aber das war es dann schon. Hütchen für das Training stellte er später noch auf, sprach hier und da mit Löw, aber eine konkrete Aufgabe hatte er noch nicht. Aller Anfang ist eben schwer. Selbst für einen gestandenen Fußballer und Trainer. Einen, der sich in der Ruhe von Mückenloch, einer kleinen Ansiedlung mit etwa 1100 Einwohnern, die zu Neckargemünd gehört, sehr wohl gefühlt hat. In M. bei N. gibt es das Sportgeschäft von Hans-Dieter Flick, den bisher alle nur Hansi nannten. Seine Eltern wohnen dort. Flick selbst wohnt in Bammental.

Als der 41 Jahre alte Hansi Flick noch vor ein paar Tagen auf dem Podium in Frankfurt am Main saß, zurückhaltend, ja schüchtern, ein paar Worte sagte und als neuer Assistent von Bundestrainer Joachim Löw (Spitzname Jogi) vorgestellt wurde, sollte er nur noch Hans genannt werden, der aus Heidelberg stammt, was ihm selbst, wie es heißt, nicht besonders lieb ist. Er war immer der Hansi. Nett, freundlich, umgänglich, keiner, der sich mit jedem anlegen wollte, um sich selbst zu verwirklichen.

Obwohl er ihn vor nicht allzu langer Zeit entlassen hatte, schickte selbst der Mäzen der TSG Hoffenheim eine SMS aus den Ferien in Südfrankreich und gratulierte. Aber Dietmar Hopp, Mitgründer der Software-Firma SAP, hatte Flick offenbar nicht mehr zugetraut, den Sprung in die Zweite Liga zu schaffen. Nicht einmal in die Zweite Liga, muss man sagen. Hopp will inzwischen in die Bundesliga, nebst einem eigenen Stadion für rund 50 Millionen Euro. In diese Welt schien ihm Flick nicht mehr zu passen, jetzt ist er der zweitwichtigste Trainer in Deutschland.

So bodenständig Flick auch war und wirkte in Hoffenheim, so intensiv er immer zu ergründen versuchte, wie die Stimmungslage von Übervater Dietmar Hopp gelagert war, so innovativ fiel seine Arbeit lange aus. Das „Modell Hoffenheim“ nannte man es, und manch etablierter Fußballlehrer kam zu Besuch, um hinter die Kulissen zu blicken. Was sie dort zu hören bekamen, hatte oft genug mit den Charakterzügen des TSG-Trainers zu tun. Absolut loyal sei der Hansi, das wiederholten alle. Von der Oberliga in die Regionalliga mit Talenten aus der Gegend, gepaart mit dem Verzicht auf abgehalfterte Stars – das war sein Werk. Fünfeinhalb Jahre blieb er Trainer. Und Hoffenheim landete immer häufiger in den Schlagzeilen. Man schlug sogar Bayer Leverkusen im DFB-Pokal.

Weil all das so war, holten ihn Lothar Matthäus und Giovanni Trapattoni nach Salzburg. Die beiden rieten ihm auch zuzugreifen, als das Angebot von Löw kam. Matthäus kennt Flick aus dessen ersten Tagen bei Bayern München. Hansi kam aus Sandhausen nach München. Mit bangem Blick, mit der Bitte auf den Lippen, man möge ihm bitte helfen, wenn es schwierig würde, und voller Ehrgeiz war er gegangen. Man hatte eigens eine Pressekonferenz abgehalten, weil Sandhausen einen Bayern-Spieler produziert hatte. Der habe nie einen Ball verloren gegeben, so die Empfehlung. Das bekamen auch Matthäus und Kollegen zu spüren. Zweimal, so wird berichtet, habe Flick den Matthäus zusammen mit dem Ball in die Botanik getreten und sich so gleich am ersten Tag Respekt verdient. Sie haben schnell Frieden geschlossen, und Flick machte die erste Frau des Bayern-Leitwolfs, Silvia Matthäus, zur Taufpatin seiner ältesten Tochter.

„Er ist einer der jungen Spieler, die mit aller Macht nach oben wollen“, sagte Jupp Heynckes einmal, als er die Bayern betreute und den jungen Kerl beschreiben sollte. Seine Spielerkarriere musste er aus gesundheitlichen Gründen beenden. Flick wurde Trainer und wie alle sagen, die unter ihm trainiert haben, ein guter. Er legte Wert auf Disziplin, und Michael Zepek, der unter Flick in Hoffenheim spielte, sagt: „Der Rahmen stimmte, jeder wusste, was er zu tun hatte.“ Moderne Methoden habe Flick angewandt. Videoanalyse, Laufen mit Bremsfallschirm auf dem Rücken, mentales Training und die Gummibänder, die später bei Jürgen Klinsmann wieder auftauchten.

Am Samstag wird Flick zum ersten Mal auf den Schalensitzen der schwäbischen Arena sitzen, bei seinem ersten Länderspiel, der EM-Qualifikation gegen Irland. In Mückenloch, heißt es, werden die Straßen leer sein.

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