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Euro 2008: Portugal - Deutschland

© ddp

Flick und Köpke: "Hansi und Andy"

Was sich nach Ernie und Bert anhört, ist die neue Geheimformel deutscher Teamführung. Wie Andreas Köpke und Hans-Dieter Flick das Team führten und warum Löw seine Baldrian-Tropfen zur Beruhigung gar nicht brauchte.

Seit den Trainingslagertagen auf Mallorca weiß die Nation, dass Joachim Löw nur ungern unvorbereitet in den Tag geht. Der Bundestrainer verfügt nicht nur für alle erdenklichen Spielsituationen, sondern offenbar auch für die banalen Lebenslagen über ein reichhaltiges Repertoire entsprechender Handlungs-Strategien. Löw nennt sie Wenn-dann-Strategien. Als dem Bundestrainer Ende Mai hartnäckig das Zahnweh plagte, griff Löw zu schmerzlindernden Mitteln und suchte mehrmals den Zahnarzt auf – mit Erfolg. Dafür aber muss man nicht Bundestrainer sein. Eher schon für den jüngsten Notfall, seiner Verbannung auf die Tribüne sowie die Folgen für seine Stellvertreter am Spielfeldrand.

Bei der Uefa hielt sich wohl bis zuletzt eine gewisse Basissorge, was den Gemütszustand des verbannten Bundestrainers anbelangte. Die Räumlichkeit, die für den Bundestrainer bereitgehalten wurde, war mit entsprechenden Hilfsmitteln bestückt. Nach der gemeinsamen Ankunft mit dem Mannschaftsbus war der Bundestrainer umgehend von einem freundlichen Uefa-Delegierten in Empfang genommen worden. Der Bundestrainer berichtete: „Dann gab es da einen kleinen Raum“, sagte Löw am Tag danach. Er machte eine kleine Sprechpause, nippte an seinem Espresso und lächelte kurz in sich hinein. Also dort habe es nicht nur schöne Getränke gegeben, sondern „auch Aspirin und Baldriantropfen“. Wieder lachte Löw kurz auf, um kopfschüttelnd fort zu fahren: „Das hat mich auch ein bisschen gewundert, aber es war so.“

Es ließ sich gestern nicht schlüssig aufklären, woher die Sorge der Uefa rührte. Bisher war der Bundestrainer ja nicht als jemand aufgefallen, der die Bereitstellung von Beruhigungsmitteln als sinnvolle Vorsichtsmaßnahme nahe legt. Sei es drum. Der Delegierte ließ Löw samt der Tropfen allein. Er habe es sich dann gemütlich gemacht – soweit es eben möglich war in dieser verglasten Stadionloge, in der Löw das Spiel unter Hochspannung verfolgte.

Zwar sei es für ihn völlig ungewohnt gewesen, „diese Distanz zum Spielfeldrand“, aber beruhigt habe ihn nicht das bereit gestellte Beruhigungsmittel, sondern das Spiel seiner Mannschaft. Der sei von der ersten Minute anzusehen gewesen, dass sie das Spiel gewinnen wollte. Und dann fielen auch schon die ersten Tore, 1:0, 2:0, ach, wie war das schön. Löw sprang vor Freude auf, reckte die Arme nach oben, drehte sich um die eigenen Achse und tätschelte Urs Siegenthaler mehrmals ab, den Chefscout, den er sich vermutlich nur aus diesem Grund mitgebracht hatte.

Bisweilen waren ein paar wenige Bilder aus der Box auf der Stadionanzeige zu sehen gewesen. „Ich habe ihn ein paar Mal auf der Anzeigetafel gesehen, wie er am Mitfiebern war“, sagte etwa Lukas Podolski. Leider erzählte er nicht, ob er just in jenem Moment zum riesigen Bildschirm hochguckte, als ihm ein folgenschwerer Stellungsfehler unterlaufen und die Portugiesen zum 1:2-Anschlusstreffer gekommen waren. Egal, auch für diesen Fall waren Löws Stellvertreter vorbereitet. Hans-Dieter Flick und Andreas Köpke hätten „da unten“ die Mannschaft ganz hervorragend geführt und voll in seinem Sinne, sagte Löw.

Der Bundestrainer geriet am Tag danach beinahe ins Schwärmen. Er berichtete von seinen Erlebnissen und Gefühlen in der Box sowie dem Aufgehen der gemeinsam ausgeheckten Strategie wie Heranwachsende vom ersten Date. Zu guter Letzt habe er sich in der Loge eine Zigarette angezündet. Ja, ja, das Rauchen hätte er eigentlich schon aufgegeben gehabt, doch leider vor ein paar Monaten wieder angefangen. Er sei jetzt ein „Genussraucher“, wie er erzählte, so mal eine nach dem Essen oder am Abend bei einem Gläschen Rotwein, dass der Bundestrainer sich vor dem Einschlafen genehmige.

Ach ja, er habe da noch diese Wette verloren. Gegen Hansi Flick. Es sei um eine Flasche Rotwein gegangen. Sein Assistent hätte vor dem Spiel zu ihm gesagt, dass die Mannschaft ein Tor aus einer Standardsituation erziele. Löw hielt dagegen. Die Sache ist nämlich die: Die deutsche Elf hat mit Ausnahme des Ballack-Freistoßtores gegen Österreich seit einer gefühlten Ewigkeit kein Tor mehr aus einer solchen Standardsituation erzielt. Weshalb Löw seinen Assistenten schon mehrmals gepiesackt habe. Schließlich ist es der 43-Jährige, in dessen Zuständigkeitsbereich das bislang so traurige Kapitel falle. Er sei für das Einteilen und die Zuteilung bei Ecken und Freistößen zuständig.

Nun sind es gleich zwei Tore geworden, das von Klose zum 2:0 und das von Ballack zum 3:1. „Äh, zwei Flaschen“, wie Löw alberte. Die bezahle er gern. „Sie haben es schon toll gemacht“, sagte Löw, „der Hansi und der Andy“.

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