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Football: Die Wunden der Patrioten

Die New England Patriots schaffen es nicht ins Viertelfinale der NFL – eine Ära könnte nun zu Ende sein

Es war bitterkalt in Massachusetts am Sonntagabend – bis zu zehn Grad unter null mit frostigen Winden, die von Kanada her den Spielern der New England Patriots empfindlich in die Glieder fuhren. Das war aber nicht der einzige Grund, warum es die Patriots kaum erwarten konnten, nach dem Spiel gegen Baltimore vom Feld wieder in die Kabine und unter die heiße Dusche zu kommen. Die knapp 70 000 Fans, die zum Play-off-Spiel ihrer Mannschaft gekommen waren, wollten gar nicht mehr aufhören zu pfeifen und zu buhen. Statt des erwarteten Durchmarsches des dreimaligen Superbowl-Champions hatten sie sich eine sang- und klanglose 14:33-Niederlage anschauen müssen. Nun stehen statt den Patriots die Baltimore Ravens im Viertelfinale.

Tom Brady, der Star des Teams, hatte sogar Verständnis für die Pfiffe. „So wie wir gespielt haben, hätte ich auch gebuht“, sagte der Quarterback, der die Patriots seit dem Jahr 2001 zu der Mannschaft gemacht hat, an der im Titelkampf kein Weg vorbeiführt. Am Gerede vom Ende einer Ära, das schon in den Tagen vor dem Spiel gegen die Ravens aufgekommen war, wollte sich Brady allerdings nicht beteiligen: „Wir haben gegen eine starke Mannschaft schwach gespielt. Mehr ist nicht passiert.“

So einfach kann Brady jedoch die Diskussion nicht abschütteln, dass die Zeit der dominierenden Patrioten vorbei ist. Sicher litten die Patriots am Sonntag darunter, dass einer ihrer Schlüsselspieler, Receiver Wes Walker, wegen einer Knieverletzung nicht auflaufen konnte. Die offenkundigen Probleme der Patriots waren in diesem Jahr jedoch schon da, bevor Walker ausfiel. Nach erniedrigenden Niederlagen gegen New Orleans, Miami und Houston waren die Patriots mit drei passablen Partien im Dezember gerade noch in die Play-offs gestolpert. Gegen die Ravens galten sie jedoch von vorneherein als unterlegen.

Das mutmaßliche Ende der Patriots-Dynastie begann im Superbowl-Finale 2007, als sich das Team aus Boston nach einer perfekten Saison Sekunden vor Abpfiff noch von den New York Giants den Schneid abkaufen ließ und in der Verlängerung verlor. Brady humpelte verletzt vom Platz und fiel für einen Großteil der nächsten Saison aus. Ergebnis: Die Patriots schafften es 2008 nicht einmal in die Play-offs. In dieser Spielzeit ließ der genesene Brady gelegentlich wieder alte Klasse aufblitzen. Doch seine Mannschaft war nicht mehr die alte. „Wir sind ein anderes Team“, sagte Brady, „wir haben nicht mehr diese mentale Härte und diesen Siegeswillen.“ Der Kommentator der „Boston Globe“ schrieb: „Die Patriots haben ihren Weg verloren. Sie sind keine Sieganwärter mehr.“

Sebastian Vollmer, der deutsche Rookie bei den Patriots, hätte seine erste NFL-Saison gewiss gerne anders beendet. Dennoch hat der Defensive Tackle zweifellos das Beste aus einer schlechten Saison seiner Mannschaft gemacht.Viele halten ihn für den besten Neuprofi des Jahres. Vollmer beeindruckte, weil er als Tackle sowohl von rechts als auch von links spielen kann. Eine Vielseitigkeit, die ihn für die von Verletzungen gebeutelten Patriots besonders wertvoll machte. „Normalerweise ist man froh, wenn man einen Rookie überhaupt für irgendetwas einsetzen kann“, lobte ihn Randy Cross, ehemaliger Lineman und Kommentator für CBS. „Wenn einer dann kommt und gleich auf zwei Positionen spielen kann, ist das unbezahlbar.“ Vollmer wird wohl eine wichtige Rolle bei der Zukunft der Patriots spielen – wie immer die auch aussehen mag.

Sebastian Moll[New York]

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